Gastkommentar

Kreditregeln, die allen missfallen

Die neuen Kriterien für Immobilienkredite rauben der Jugend ihre Chancen auf ein Eigenheim.

Der Autor:

MMag. Peter Ulm ist Präsidiumssprecher der VÖPE – Vereinigung Österreichischer Projektentwickler.

Seit 1. August dieses Jahres gelten neue Kriterien für Wohnbaukredite. Für den Kauf einer Immobilie müssen nun 20 Prozent des Kaufpreises in Form von Eigenkapital nachgewiesen werden. Zudem darf die monatliche Kreditrate nur noch höchstens 40 Prozent des monatlich verfügbaren Nettohaushaltseinkommens ausmachen und die Laufzeit der Finanzierung 35 Jahre nicht übersteigen. In der öffentlichen Debatte getarnt als „Umsetzung einer neuen EU-Richtlinie zur Vergabe von Immobilienkrediten“, handelt es sich um „Gold-Plating“ gemäß einer EU-Richtlinie aus dem Jahr 2014 auf Basis der Empfehlungen von diversen Gremien. Treibende Kraft dahinter war das von Nationalbank und Finanzministerium beschickte Finanzmarktstabilitätsgremium. Niemand von außen hat Österreich diesen Schritt vorgeschrieben.

Alle scheinen mit diesen Regeln unzufrieden – Bevölkerung, Politik (sogar der Finanzminister), Banken und Projektentwickler. Nennen wir die Regeln beim Namen: Sie sind eine weitere, typisch österreichisch eigentumsfeindliche Maßnahme und ein Zukunftsraub an der Jugend. Denn welcher 30- oder auch 40-Jährige kann angesichts der seit Jahren sinkenden Realeinkommen unter diesen Voraussetzungen noch eine Immobilie für die eigene Familie finanzieren?

Die wenigen Fürsprecher der Regeln – wie die Arbeiterkammer – verkennen wesentliche Faktoren: Im Gegensatz zu einem auf Kredit finanzierten Konsumgut wie z. B. einem Auto sichert eine Immobilie auch nach 35, sogar nach 70 Jahren noch einen Kredit. Eine dem wahren Wert einer Immobilie entsprechende verlängerte Kreditlaufzeit senkt automatisch die monatliche Belastung und macht auch der jungen Generation die Schaffung von Eigentum möglich. Zudem können gerade junge Menschen, die am Anfang ihrer Berufslaufbahn stehen, berufliche Funktions- und Gehaltssprünge erwarten, so dass schon wenige Jahre nach der Aufnahme eines Kredits höhere Raten bedient werden können. Außerdem steigen mit dem Alter der Elterngeneration in aller Regel auch die Zuwendungen dieser an die Kinder an.

Entlastung bei Nebenkosten

Auch die Schweiz ist seit jeher ein Land der Mieter. Der Unterschied: Es gibt den politischen Willen, daran etwas zu ändern, um Eigentum als Form der Vorsorge zu etablieren. In der Schweiz sind daher zur Unterstützung des Eigentumserwerbs anfänglich tilgungsfreie Wohnkredite mit sehr langer Laufzeit üblich. Sie ermöglichen der jungen Generation, unter anfänglich überschaubarem Kapitaleinsatz etwas aufzubauen, um bei steigendem Einkommen im Zuge des beruflichen Fortkommens Tilgungen des Kredites vornehmen zu können. So ein Modell brauchten wir zur höheren Resilienz gegen Wirtschaftskrisen und zur Schaffung von Eigentum als Vorsorge! Darüber hinaus gäbe es Entlastungen bei den Nebenkosten, und es könnte rasch von der Politik angegangen werden.

Die „Überhitzung“ des Immobilienmarkts als Hauptargument für die neuen Regeln ist nicht nachvollziehbar. Steigende Zinsen und explodierende Baukosten sorgen schon jetzt für ein deutlich geringeres Bauvolumen, das in Zeiten einer sich abzeichnenden Rezession nicht noch durch unrealistische Kreditvergaberichtlinien weiter eingeschränkt werden soll. Wir brauchen dringend ein praxisorientiertes Gremium zur Neubewertung der Lage, in dem Regierungsverantwortliche, Immobilienprojektentwickler, Geschäftsbanken und die Nationalbank eine zeitgemäße Regelung erarbeiten, die es auch der jungen Generation ermöglicht, sich ein Eigenheim zu schaffen.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2022)

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