Wohninvestment

Nicht um jeden Preis

Investitionen in die Assetklasse Wohnbau sind derzeit eher gedämpft – auch in Wien.
Investitionen in die Assetklasse Wohnbau sind derzeit eher gedämpft – auch in Wien. Getty Images/iStockphoto
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Der Markt bei wohnwirtschaftlichen Investments hat sich etwas beruhigt, das Interesse besteht aber nach wie vor. Ein aktueller Einblick durch Wiener Experten.

Der Investment-Marktbericht von EHL-Immobilien für das dritte Quartal zeigt, dass 32 Prozent der Investitionen in Wohnobjekte geflossen sind, die damit die Führungsrolle einnehmen. Johannes Endl, Vorstand der Örag: „Das grundsätzliche Interesse an Immobilieninvestments ist bei allen langfristig orientierten Investoren weiterhin sehr hoch.“ Unabhängig von der wirtschaftlichen und finanziellen Gemengelage gibt es für Endl noch ein weiteres Argument für mittel- und langfristige Werthaltigkeit von urbanen Wohnimmobilien: „Der Megatrend zum Wohnen in den Ballungszentren ist ungebrochen, sodass sinkende Grundstückspreise kaum zu erwarten sind.“

Verknappung des Angebots

In Kombination mit den aktuell hohen Baupreisen und den restriktiven und teuren Finanzierungen ergibt sich eine deutlich gedämpfte Neuflächenproduktion und damit in den nächsten Jahren eine Verknappung verfügbarer Produkte. Zudem verstärken die seit dem Sommer geltenden restriktiven Finanzierungsregeln für Privatpersonen ebenfalls die Nachfrage nach „wohnwirtschaftlichen Investments“, sagt Christian Schmück, Geschäftsführer Colourfish Real Estate: „Die neuen Richtlinien der Kreditvergabe drängen immer mehr Familien in Miete. Daher sehen wir die Investition gewerblicher Investoren in Wohnraum weiterhin als sehr gute Veranlagung.“

In der gegenwärtigen Situation mit hohen Inflationsraten und deutlich gestiegenen Kapitalmarktzinsen sind allerdings Investitionsoptionen wie zum Beispiel Staatsanleihen oder Festgelder gegeben, die ähnliche oder höhere Renditen als Immobilien abwerfen, „dabei aber ungleich liquider sind“, erklärt Endl: „Es liegt daher nahe, abzuwarten und Geld dort zu parken, bis die Auswirkungen der derzeitigen Gegebenheiten klarer werden.“ Der „Stand-by-Modus“, in dem sich viele Investoren befinden, ist also nicht der mangelnden Attraktivität, sondern der abwartenden Haltung in Bezug auf die weiteren (Preis-)Entwicklungen geschuldet. „Aktuell bemerken wir ein leichtes Zuwarten von potenziellen Investoren, die die weltwirtschaftlichen Ursachen und Folgen genau beobachten“, analysiert Schmück. Für einige Käufergruppen hat das aber auch seine Vorteile, wie Markus Arnold, CEO und Alleineigentümer von Arnold Immobilien, feststellt: „Durch die Veränderungen auf dem Markt haben auch wieder private Investoren die notwendige Zeit im Ankaufsprozess, um die Kaufentscheidungen in Ruhe treffen zu können.“ Zuletzt hat die Dynamik viele potenzielle Interessenten aus dem Markt gedrängt, da für Entscheidungen nur wenig Zeit war. Als neue Käufergruppe registriert Markus Arnold neben vermögenden Privatpersonen, in der Branche High-Net-Worth-Individuals genannt, Fonds, Stiftungen und Private, die eine stabile Basis für ihre Vermögensportfolios suchen. „Grundsätzlich sind derzeit alle besonderen Lagen im Fokus“, meint Arnold, und Schmück konkretisiert: „Gesucht werden Objekte in einer Größenordnung ab 1500 Quadratmetern Nutzfläche in sehr guten Lagen.“ Wie sehr sich die Spreu vom Weizen trennt, zeigt sich bei den Renditen. Schmück: „Bei Transaktionen in schlechten bis unattraktiven Lagen verzeichnen wir Preisnachlässe von bis zu 20 Prozent.“

Die Spitzenrenditen für institutionelle Wohnprojekte bewegen sich derzeit für Top-Produkte im Bereich der 3,25 Prozent bis 3,50 Prozent. „Schlechtere Lagen, ineffiziente Grundrisse, fehlende Infrastruktur, drohender Leerstand oder ein nicht ESG-konformer Zustand der Objekte werden mit deutlichen Risikoaufschlägen von bis zu 100 Basispunkten abgestraft“, meint Franz Pöltl, Geschäftsführender Gesellschafter EHL Investment Consulting: „In Ausnahmefällen auch mehr.“

Heizkostenfrage

ESG und EU-Taxonomie sind mittlerweile fest im Denken verankert und werden für die meisten gewerblichen Investoren zu einem zentralen Entscheidungskriterium. Das bestimmende Thema aber ist die Frage nach der Heizung und ihrer – vor allem laufenden – Kosten. „Das war bisher kaum relevant und interessiert nunmehr alle, ob Mieter, Käufer, Investoren. Für den modernen Neubau ist das zweifellos ein Vorteil“, sagt Johannes Endl, Örag. Neu errichtete, energieeffiziente Gebäude stehen besonders im Fokus gewerblicher Investoren. Aber auch alte Werte, wie das klassische Zinshaus, bleiben gefragt. „Die Situation ermöglicht gerade kapitalstarken Marktteilnehmern gute Chancen beim Einkauf“, sagt Thomas Gruber, Geschäftsführender Gesellschafter Plenus Immobilien. Gegen eine Inflation von rund elf Prozent wird sich das wirtschaftlich knappe Gut eines schönen Zinshauses in guter Lage weiterhin stabil entwickeln. Aufgrund der aktuellen Zinssituation sind in diesem Segment langfristige Anleger wie Versicherungen und Family-Offices sehr aktive Player. Nachgefragt werden vor allem entwickelte Liegenschaften und keine zu entwickelnden Zinshäuser. „Diese sind auch für diese Anlegergruppe weniger im Fokus“, sagt Gruber: „Es wird also gesucht und gekauft, aber nicht um jeden Preis!“ Auch hier macht sich die Schere zwischen guten und weniger guten Objekten bemerkbar.

AUF EINEN BLICK

Die finanzielle und wirtschaftliche Situation führt zu einem Abwarten der Investoren, eine Veränderung der Käufer in Richtung HNWI (High-Net-Worth-Individuals), Fonds, Stiftungen und Private. Im Fokus liegen besondere Lagen, weniger gute müssen Preiskorrekturen vornehmen. ESG und EU-Taxonomie sind fest im Denken der Investoren verankert. Die beiden größten Transaktionen im Wohnbereich heuer waren Lavater 2, das von Invester United Benefits an die Bank Austria Real Invest verkauft wurde, sowie das Leuchtturmprojekt High Five in Linz, das von STC und Roombuus an die ZBI ging.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.11.2022)

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