Iran

Wenn Helden zur Hymne schweigen

Zusammenhalt wird im Team Iran groß geschrieben. Wie reagiert die Mannschaft bei der WM?
Zusammenhalt wird im Team Iran groß geschrieben. Wie reagiert die Mannschaft bei der WM?APA/AFP/FADEL SENNA
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Proteste gegen Sicherheitsapparat und Doktrin, Waffenlieferungen an Russland und WM-Spiele gegen England oder Erzfeind USA – jede Ballberührung wird ein Drahtseilakt.

Als sich Irans Fußballteam Ende Jänner für die Fußball-WM qualifizierte, feierte die Nation die Teilnahme bereits wie einen Titelgewinn. Die Vorfreude auf die Begegnungen mit den Spitzenteams und internationalen Stars war riesengroß. Doch dann starb eine junge Frau in Polizeigewahrsam. Das löste in Teheran die schwersten Proteste seit Jahrzehnten aus, die selbst bis ins Trainingslager nach Österreich und zu Testspielen in St. Pölten und der Südstadt führten. Man kickte hinter verschlossenen Toren, vor dem Stadion wurde protestiert. Und manch Demonstrant gefilmt, wurde gemunkelt. Von wem, warum? Das blieb unbeantwortet.

Im Iran selbst reagierte der Sicherheitsapparat mit äußerster Härte. Viele Menschen verloren ihr Leben, das Entsetzen darüber war groß und wird auch die Fußball-WM in Katar begleiten, die heute mit dem Spiel gegen England ihren Anfang nimmt. Dazu begehrt noch eine Seite Erklärungsbedarf: Waffenlieferungen an Russland für den Krieg in der Ukraine verschärften den internationalen Druck. Dass in Gruppe B auch noch ein Duell just gegen die USA ansteht, sorgt für weitere Brisanz.

Ali Daei lehnte Fifa-Einladung ab

Auch die Fußballer des „Team Melli“ geraten zusehends zwischen die Fronten. Während viele Verbände Irans WM-Ausschluss forderten, hofften Aktivisten auf Solidaritätsbekundungen der Spieler. Dies will die politische Führung in Teheran unter allen Umständen verhindern. Passend dazu wurden vor der Anreise nach Doha noch Fotos mit Präsident Ebrahim Raisi veröffentlicht.

Das blieb freilich nicht unkommentiert. „Es war die beste Gelegenheit, den Stimmen der Trauernden und Unterdrückten Gehör zu verschaffen“, schrieb Jahia Golmohammadi, er ist Trainer des Hauptstadtklubs Persepoli, auf Instagram. Der populärste Fußballer des Landes, Ali Daei (einst Bayern, Hertha BSC), etwa lehnte eine Einladung der Fifa nach Katar ab. Und Ali Karimi, einst Mittelfeldspieler des FC Bayern, kritisiert die Islamische Republik seit Ausbruch der Proteste vehement. Auch er lehnte eine Einladung ab.

Dabei sollte die WM am Persischen Golf sportlicher wie wirtschaftlicher Höhepunkt für den Iran werden. Teheran und Doha hatten sich auf eine lukrative Zusammenarbeit verständigt. Fans sollten mit Fliegern und Fähren kommen, das von Sanktionen geplagte Teheran hoffte auf Devisen. Dabei ist den meisten Iranerinnen und Iranern diese WM gleichgültig, viele wünschen sich gar eine Disqualifikation, um der Regierung einen Denkzettel zu verpassen. Es sollen schon WM-Werbeplakate an Autobahnen angezündet worden sein.

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