Gastkommentar

Wie viel Ungerechtigkeit können wir noch akzeptieren?

WELTWEITER KLIMASTREIK FRIDAYS FOR FUTURE: KUNDGEBUNG IN WIEN
WELTWEITER KLIMASTREIK FRIDAYS FOR FUTURE: KUNDGEBUNG IN WIENAPA/KLAUS TITZER
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In Österreich wird das Leben für immer mehr Menschen unleistbar, während es fossilen Großkonzernen wie der OMV finanziell so gut geht wie nie.

Die Welt ist ungerecht. Das ist bei weitem nichts Neues. Dass diese Ungerechtigkeit Jahr für Jahr steigt, ist auch schon seit Jahren abzusehen - sei es bei der Vermögensverteilung oder der global ungleichen Verteilung zwischen den Ländern, die die Klimakrise verursachen und denen, die unter den Auswirkungen leiden müssen. Trotz vieler politischer Möglichkeiten, diesen Trend der Ungerechtigkeiten abzubremsen und umzukehren, passiert aber kaum etwas. Wir müssen uns als Gesellschaft langsam die folgende Frage stellen: Wie viel Ungerechtigkeit können wir noch akzeptieren? 

Die Autorin

Marlene Seidel studiert Volkswirtschaft und Politikwissenschaften und ist Klimaaktivistin bei Fridays For Future.
Der nächste österreichweite Klimastreik zu den im Text genannten Themen findet am 26.11. statt. 

Gastkommentare und Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.

In der Ukraine bezahlen Menschen mit ihrem Leben für einen Krieg, der zu großen Teilen aus den Erlösen vom Verkauf fossiler Energie finanziert wird, während fossile Großkonzerne wie die OMV davon profitieren. Wie können wir das akzeptieren? In Österreich wird das Leben für immer mehr Menschen unleistbar, während es fossilen Großkonzernen wie der OMV finanziell so gut geht wie nie. Wollen wir auch das noch widerstandslos hinnehmen? Die Klimakrise heizt sich Tag für Tag an und unglaublich viele Menschen geben ihr Bestes, möglichst klimafreundlich zu leben und politisch für Klimagerechtigkeit aktiv zu werden. Gleichzeitig feuern fossile Großkonzerne wie die OMV Unmengen an Emissionen schulterzuckend in die Atmosphäre und machen damit auch noch Milliardengewinne. Ich frage Sie noch einmal: Können Sie diese Ungerechtigkeit wirklich akzeptieren? 

Die OMV ist laut der Datenbank „Global Oil & Gas Exit List“ (GOGEL) das 67. umweltschädlichste Unternehmen der gesamten Welt. Obwohl das Unternehmen aktiv und wissentlich unsere Zukunft gefährdet, geht es ihm wirtschaftlich gut - sehr gut sogar: In den ersten drei Quartalen dieses Jahres hat es bereits mehr als neun Milliarden Euro an Gewinnen erwirtschaftet- ein großer Teil davon lässt sich als zufälliger Übergewinn klassifizieren (Berechnungen der Arbeiterkammer und dem Österreichischen Gewerkschaftsbund zufolge zwischen vier und fünf Milliarden Euro).

Kein solidarischer Akt

Von einem unmenschlichen Krieg finanziell zu profitieren und gleichzeitig weiter die Klimakrise damit anzuheizen, ist schon moralisch verwerflich genug. Jetzt aber so zu tun, als wäre die von der EU beschlossene Verordnung, Zufallsgewinne abzugeben, eine zuvorkommende „Solidaritätsabgabe“, grenzt an blankem Hohn. Wenn Ihnen jemand das Geld aus der Tasche zieht, was Sie dringend für Ihre hohen Rechnungen bräuchten, Ihnen dann zwischen 33 und 40 Prozent davon zurückgibt, würden Sie dieser Person dann sagen: „Ich danke Ihnen für Ihre Solidarität!“? Nein, ich denke nicht. Das ist kein solidarischer Akt, sondern ein höchst provokanter. Doch genau das passiert gerade. Die österreichische Regierung hat sich zwar dazu durchgerungen, etwas mehr als die Minimalvariante der EU-Verordnung einzuführen - von “Solidarität” oder “Gerechtigkeit” kann aber nicht die Rede sein.

Der politische Wille für gerechte und sozialverträgliche Maßnahmen in diesem Bereich bleibt also schwach. Das Geld aus den Zufallsgewinnen bleibt ungleich verteilt und fehlt uns dafür an anderen Stellen; allen voran den vielen Menschen, die aufgrund der Inflation und breiten Teuerungswellen ihre Rechnungen nicht mehr zahlen können. Die zufällig erwirtschafteten Milliarden sollten daher dafür verwendet werden, sozial treffsichere Maßnahmen umzusetzen, damit sich alle Menschen in Österreich weiterhin ihre Lebensmittel und Mieten leisten können.

Andererseits fehlt uns der politische Wille für gerechte und sozialverträgliche Maßnahmen gerade auch beim Klimaschutz. Während in Ländern des globalen Südens das Leben aufgrund von klimatischen Bedingungen schon jetzt teilweise unerträglich wird, schafft es Österreich nicht einmal, die eigenen Klimaziele einzuhalten. Das wird uns auch erst dann gelingen, wenn wir den Ausstieg aus dem fossilen System und einen radikalen Umstieg auf erneuerbare Energien tatsächlich durchsetzen. 

Kein einziges Windrad

Zur Erinnerung: In Salzburg, Tirol und Vorarlberg steht bis heute kein einziges Windrad. Auch andere Bundesländer bleiben beim Ausbau der Erneuerbaren weit unter ihrem Potenzial. Primär fehlt hier eine rasche Flächenwidmung für den Ausbau der erneuerbaren Energie und schnellere Genehmigungsverfahren. Dafür bräuchte es aber auch Landeshauptleute, die verstehen, was daraus folgt, wenn sie so weitermachen wie bisher. Jede Person, die das nämlich wirklich begriffen hat, würde keine Sekunde mehr zögern und die Energiewende so rasch wie möglich umsetzen.

Im Vergleich zu den Blockierern hat es Österreichs Bevölkerung aber schon weit mehr durchblickt: Nach der Klimastudie 2022 gibt neunzig Prozent der Befragten an, Maßnahmen gegen die Klimakrise sinnvoll und notwendig zu finden. Haben wir in Österreich das Pech, dass die blockierenden Entscheidungsträger:innen genau zu den zehn Prozent zählen, die politische Maßnahmen gegen die Klimakrise nicht sinnvoll finden? Doch sogar falls dem so wäre: Unsere demokratisch gewählten Volksvertreter:innen müssen dem Willen der Bevölkerung und ihrem Handlungsauftrag nachkommen. Das bedeutet in diesem Fall: Umverteilen, umsteigen und ausbauen - und damit für mehr Klimaschutz und mehr Gerechtigkeit gleichzeitig sorgen. 

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