Architektur

Bildungsbauten: Der dritte Lehrer

Die erweiterte Pädagogische Hochschule Salzburg wurde mit dem Bauherrenpreis 2022 ausgezeichnet.
Die erweiterte Pädagogische Hochschule Salzburg wurde mit dem Bauherrenpreis 2022 ausgezeichnet.PH Salzburg Copyright: Andrew Phelps
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Die Schule im „Kasernentyp“ hat längst ausgedient. Denn Lehre und Lernen verändern sich – Schulbauten tragen dem zunehmend mit ihrer Architektur Rechnung.

Architektur macht Schule – und das im wahrsten Sinn des Wortes. Denn auch bei Bildungsbauten – von Kindergärten über Volks-, Mittel-, Hoch- und Fachhochschulen bis zu Universitäten und akademischen Forschungseinrichtungen – spielt Architektur seit einigen Jahren eine immer größere Rolle.

Das zeigt auch der diesjährige Bauherrenpreis der Zentralvereinigung der Architektinnen und Architekten: Von den 18 nominierten Projekten stammte immerhin die Hälfte aus dem Bildungsbereich.

Neues Audimax

Das gilt auch für das letztlich mit dem Bauherrenpreis ausgezeichnete Projekt, die Pädagogische Hochschule Salzburg. Die als Teil eines größeren Schulkomplexes im Salzburger Nonntal in den späten 1960er-Jahren errichtete Hochschule war zwischen 2018 und 2021 nach den Plänen von Riccione Architekten saniert und erweitert worden: Die beiden Gebäudetrakte mit ihren charakteristischen Betonplatten an der Fassade wurden erhalten und im Zwischenraum mit einer Aula mit Lernzonen und abgesenktem Audimax für 400 Personen miteinander verbunden. Der Altbestand wurde entkernt, die Zwischendecken entfernt. Die übrig gebliebene rohe, archaische Struktur wurde mit neuen Elementen befüllt – mit nackten Ziegelsteinen, bunt gepixeltem PVC-Boden und mit Glas eingehausten Nebenräumen und Besprechungszonen.

Vernetzte Räume

Dass bei Bildungsbauten nicht mehr nur der Zweck, sondern auch die Architektur an Bedeutung gewinnt, liegt für Claudia Maria Walther, Projektmanagerin Schulen in der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG), unter anderem in der Veränderung der Lehre und des Lernens begründet. „Die Schule als Institution war lange Zeit auf Frontalunterricht und rein auf die Vermittlung von Wissen ausgerichtet“, sagt Walther. Das habe sich im „Kasernentyp der Monarchie“ mit seiner Gang- und Klassentypologie gespiegelt. Mittlerweile würden Schulen aber weit mehr Aufgaben übernehmen. „Wir leben in einer Informations- und Wissensgesellschaft. Es geht darum zu vermitteln, wie Wissen gefunden, gefiltert, bewertet und angewendet werden kann.“ Daher verändere sich auch die Lehre: „In Volksschulen beispielsweise gibt es fast keinen Frontalunterricht mehr, an Unis hingegen viel, und dazwischen liegt ein weites Feld“, so Walther. Diesem Wandel müssen auch die Gebäude Rechnung tragen: So seien wie in den modernen Büros Räume oder Zonen für Teamarbeit, für konzentriertes Arbeiten, Rückzug, aber auch Platz für informelle Bewegung erforderlich. „Da die Räume nicht monofunktional genutzt werden, gibt es auch weniger leere Flächen“, beschreibt Walther. Dieses Konzept setzt sich in den Arbeitsplätzen der Pädagogen fort: „Sie werden flexibler. Es hat zwar jeder einen Arbeitsplatz, aber das kann auch ein kleinerer Steh-Arbeitsplatz sein. Und es gibt Möglichkeiten für Rückzug und Kommunikation“, weiß die Expertin. Sie weist im Übrigen darauf hin, dass jede Schulentwicklung, unter Einbindung der Betroffenen, auch eine Entwicklung der Schule sein könne.

Offener Unterricht

Das hat sich in Salzburg gezeigt: Dort hat die Hochschulleitung die Transparenz und Prozesshaftigkeit der Architektur in ihr pädagogisches Konzept aufgenommen. Die Folge: Der Unterricht hat heute einen offenen, werkstattartigen Charakter. „Pädagogik wandelt sich, und wir versuchen, dieser Flexibilität Raum zu geben. Gleichzeitig kann der Raum selbst diese Flexibilität unterstützen“, sagt Walther. Auch die Inneneinrichtung sollte leicht veränderbar sein, um das Potenzial der Räume ausschöpfen zu können.

Wohnpsychologin Barbara Perfahl kann dieser Entwicklung nur Positives abgewinnen: Schulen seien nicht nur Orte des Lernens, sondern auch der Begegnung, und gleichzeitig ein Lebensraum. „Je besser die Räume diese Aspekte abbilden, umso wohler fühlen sich die Nutzer darin. Das ist eine wesentliche Voraussetzung für erfolgreiches Lernen“, weiß die Psychologin. Walther ergänzt: „Einem Sprichwort zufolge hat ein Kind drei Lehrer: die Pädagogen, die Mitschüler und den Raum.“

RAUM FÜR UNTERRICHT

Schulen sind heute wie moderne Büros in unterschiedliche Räume oder Zonen für Teamarbeit, für konzentriertes Arbeiten oder Rückzug gegliedert, auch Platz für informelle Bewegung ist vorgesehen. Da die Räume nicht monofunktional genutzt werden, gibt es auch weniger leere Flächen. Das von Kasernen übernommene Muster von Gängen und Klassenzimmern erschwert zeitgerechten Unterricht: In Volksschulen beispielsweise gibt es fast keinen Frontalunterricht mehr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.12.2022)

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