Misstrauen und Aggression untereinander seien durch die Krise gewachsen, sagt Politikwissenschaftlerin Barbara Prainsack. Was es braucht? Eine Politik, die unterstützt und Gemeinsamkeiten statt Unterschiede betont.
Die Presse: Sie befassen sich in Ihrer Forschung mit Solidarität, u. a. während der Pandemie. Erlaubt Ihre Arbeit einen Befund: Wie warm ist es derzeit in Österreich im sozialen Sinn?
Barbara Prainsack:Wir haben mit vielen Menschen in Österreich lange Gespräche geführt. Da ist klar geworden, dass der erste Lockdown bei vielen eine Re-Evaluierung ihres Lebens ausgelöst hat. Vielleicht kennen Sie das von sich selbst, die Frage: „Warum mache ich das eigentlich?“ Ich schon. Bei manchen ging es um eine Beziehung, bei manchen um langes Pendeln zum Job oder um Konsum. Diese Hoffnung, dass sich etwas ändert, dass man eine Gesellschaft baut, die weniger schädlich ist für die Menschen und für den Planeten, ist dann innerhalb weniger Monate wieder zurückgegangen. Viele Menschen sind wieder in ihre alten Routinen zurückgekehrt. Es gab bereits 2020 eine Form der Resignation. Und die hat sich nicht aufgelöst, da sind jetzt noch andere Dinge dazugekommen.
Schwerpunkt: Sehnsucht nach Wärme. Wärme ist mehr als nur Temperatur – ein vorweihnachtlicher Blick auf ein Phänomen zwischen sozialem Zusammenhalt, explodierenden Energiepreisen und dem Wunsch nach Geborgenheit im Advent.
Sie spielen auf Energie- und Klimakrise an.
Ja. Die Pandemie war in den ersten Wochen durch eine sehr große inklusive Solidarität geprägt: Man war solidarisch über Grenzen und Bevölkerungsgruppen hinweg. Das ist zu einer starken Intra-Gruppensolidarität übergegangen: einer Solidarität mit denen, die so denken und handeln wie ich. Das ist in Krisen nicht untypisch. Was die Lage zugespitzt hat, ist die Länge dieser Krise. Die Leute sind zermürbt. Und auch Misstrauen und die Aggression gegenüber den Mitmenschen sind gewachsen.