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Um sechs Uhr früh zum Schafott

Fjodor Dostojewskij (1821-1881).
Fjodor Dostojewskij (1821-1881).Imago
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Am Abend des 24. Dezember 1849 nehmen die Brüder Dostojewskij voneinander Abschied, bevor Fjodor seine Reise nach Sibirien antreten muss.

Am 22. Dezember 1849 wurde Fjodor Michailowitsch Dostojewski zum Tod verurteilt. Dostojewski war damals 28 Jahre alt, hatte längst beide Eltern verloren – sein Vater, ein Mediziner, war von Leibeigenen erschlagen worden; seine Mutter nach sieben Geburten 37-jährig an der Schwindsucht gestorben. Zwar hatte Fjodor eine literarische Blitzkarriere mit seinem Frühwerk „Arme Leute“ hingelegt, war aber bald wieder aus der Kritikermode gekommen und geriet aufs Abstellgleis irgendwelcher ziemlich seltsamer und nicht ganz ungefährlicher literarischer Zirkel, zum Beispiel der Petraschewzen, zu denen auch die Dichter Alexej Pleschtschejew und Dmitri Grigorowitsch und sogar Dostojewskijs Hausarzt Stepan Janowskij gehörten. Chef des Zirkels war ein dubioser Herr namens Michail Butaschewitsch-Petraschewskij, der stets einen viereckigen Zylinder und einen wallenden Umhang aus nachtblauer Seide trug, am helllichten Tag Feuerwerkskörper zündete, wildfremde Menschen – wie etwa Dostojewskij – in vertrauliche Gespräche zog, verulkte und als altes Weib verkleidet, aber mit Vollbart durch Petersburg flanierte: ein leicht angeschoderter Kryptiker, der eine Bibliothek in Russland kaum zugänglicher Literatur sozialkritischen Inhalts besaß, darunter Werke von Fourier, Proudhon und Feuerbach. Mit den revolutionären Ereignissen in Westeuropa verstärkte sich der Zulauf zu Petraschewskijjs Zirkel, in dem etwa das Problem der Leibeigenschaft debattiert wird.


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