Was passiert, wenn zu viele Bauherren ohne architektonische Grundausbildung entscheiden dürfen? Und wie viel Beteiligung der Bewohner braucht es für eine gute Nachbarschaft?
In den 1960er- und 1970er-Jahren war die Lücke zwischen dem Wohntraum „Eigentumshaus am Land“ und dem staatlich gelenkten sozialen Massenwohnbau offensichtlich derart unerträglich geworden, dass sich die sonst eher konservative Steiermärkische Landesregierung auf Demonstrativbauten und Experimentierfreudigkeit der Architekten der Grazer Schule einließ und Partizipation im Geschoßwohnbau im Regierungsprogramm verankerte. Für kurze Zeit gab es im Modell Steiermark architektonische Versuche, verschiedene Formen der Mitbestimmung im Geschoßwohnbau auszuloten, doch schon bei der 1972 begonnenen Deutschlandsberger „Eschensiedlung“ von Eilfried Huth zeigten sich die Schwierigkeiten: Ein Höchstmaß an Mitbestimmung und Individualität für zig Bauherren ohne architektonische Grundausbildung in einem Projekt mündete im Ensemble zu einem ästhetischen Fragezeichen. Huth hatte gelernt: Auch der Architekt muss ein Stimmrecht haben dürfen, und der von nun an verfolgte Kompromiss lautete, dass nicht nur das Tragsystem, sondern auch die äußere Gestaltung vorgegeben wird, während bei den jeweiligen Grundrissen Anpassungen möglich sind. So blieb zwar die Mitbestimmung über den privaten Lebensraum erhalten, aber die gemeinsame Obsorge für eine geteilte Ressource – das soziale Element – war deutlich gemindert. Gerade als man im geförderten Wohnbau ein wenig Erfahrung mit diesen „Beteiligungsexperimenten“ gesammelt hatte, wurden sie politisch gestoppt.
Eines der spannendsten frühen Projekte hat sich nach nunmehr 40 Jahren eine Evaluation wie auch einen Besuch verdient: der Wohnbau Dreierschützengasse 28–40. 1981 begannen die Architekten Karla Kowalski und Michael Szyszkowitz für die Rottenmanner Siedlungsgenossenschaft die Planung für einen geförderten Wohnbau an der Ecke zur stark befahrenen Alten Poststraße. Heute ist die Gegend nordwestlich des Hauptbahnhofs längst mitten in Graz angekommen, entsprechend dicht bebaut und infrastrukturell gut erschlossen. Anfang der 1990er-Jahre jedoch war dort, wo heute Helmut-List-Halle und Science Tower stehen, die Straße zu Ende – ein großes Tor versperrte fast bis zur Jahrtausendwende den Weg ins Waagner-Biro-Werksgelände.