Kolumne zum Tag

Eine Delle in der Seele

v.l. Aaron Altaras mit Karoline Herfurth waehrend der Welt-Filmpremiere Einfach mal was schoenes unter der Regie von Ka
v.l. Aaron Altaras mit Karoline Herfurth waehrend der Welt-Filmpremiere Einfach mal was schoenes unter der Regie von KaIMAGO/Raimund Müller
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Welcher Körper ist schon frei von Narben? Warum sollte es also bei der Seele anders sein?

Es gibt da diese Szene in dem deutschen Film „Einfach mal was Schönes“, der derzeit im Kino läuft. Karla (Karoline Herfurth) unterhält sich mit ihrer besten Freundin, Senay (Jasmin Shakeri), über ihren neuen Flirt, Ole (Aaron Altaras). Er sei noch so „heil“, sagt sie schwermütig. Und sie werde ihm, ohne es zu wollen, „eine Delle reinmachen“.

Der Hintergrund: Da ihre biologische Uhr tickt und sie keinen Freund hat, will die knapp 40-jährige Karla per künstlicher Befruchtung Mutter werden und ihr Kind allein aufziehen. Genau in dieser Phase lernt sie den Mittzwanziger Ole kennen, der sich in sie verliebt. Sie mag ihn auch, aber der Kinderwunsch ist stärker. Daher bereitet sie sich darauf vor, die beginnende Beziehung zu beenden, ihm das Herz zu brechen und besagte Delle zu hinterlassen.

Mir gefällt dieses Wort. Eine seelische Verletzung als Delle zu bezeichnen passt irgendwie. Denn genau das wird passieren. Ole dürfte lang brauchen, um zu überwinden, dass sich eine Frau mit ihm auf eine Beziehung einlässt, obwohl sie es nicht wirklich ernst meint und eigentlich andere Pläne hat. Und wer weiß, vielleicht kommt er nie über diese Enttäuschung hinweg – nachhaltige Schwierigkeiten, Vertrauen aufzubauen, inklusive. Er kann einem leidtun, der sympathische Pfleger.

Andererseits: Warum sollte es ihm besser gehen als irgendjemand anderem von uns? Wer übersteht schon seine Zwanziger und Dreißiger ohne ernüchternde und desillusionierende Begegnungen, die das eigene Urvertrauen ordentlich auf die Probe stellen? Wer schwört in dieser Zeit nicht mindestens ein Mal, nie wieder „all-in“ zu gehen und sich niemandem mehr bedingungslos zu öffnen? Wer wirft seine Würde und Selbstachtung nicht über Bord, um etwas zu retten, was nicht zu retten ist – wohl wissend, damit Verrat an den eigenen Werten und Überzeugungen zu begehen?

Also ich kenne niemanden, der ohne Delle 40 geworden ist. Jedenfalls niemanden mit Feingefühl, der es gewagt hat, sich voll und ganz auf jemanden einzulassen. Ist ja auch nicht schlimm. Welcher Körper, der etwas erlebt hat, ist frei von Narben? Warum sollte es also bei der Seele anders sein?

E-Mails an: koeksal.baltaci@diepresse.com

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