Redebedarf

Hallo, ich bin's (wirklich!)

Symbolfoto zum Thema Touch ID. Ein Finger wird auf das Display eines Apple iPhone gehalten, auf dem das Symbol eines Fin
Symbolfoto zum Thema Touch ID. Ein Finger wird auf das Display eines Apple iPhone gehalten, auf dem das Symbol eines Fin(c) imago images/photothek (Thomas Trutschel/photothek.de via www.imago-images.de)
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100 Rätsel der Kommunikation, Folge 23. Auch beim Reden gilt: Authentifizierung ist alles. Das weiß man spätestens seit dem Wolf und den sieben Geißlein.

Danke, Digitalisierung. Alles muss man selber machen. War das nicht die Idee, dass vieles fast wie von selbst geschieht? Zum Beispiel, zu zeigen, dass man es eh selber ist und nicht irgendwer anderer? Früher funktionierte das ganz gut. Denn der Körper hatte mindestens eine Zwei-Faktor-Authentifizierung stets dabei. Das Gesicht. Und die Stimme. Und wenn man wollte und sich doch unsicher war, konnte man noch ein paar Sicherheitsabfragen nachschießen. Wie einen Handschlag zum Beispiel. Authentischer wird’s kaum. Weil den haptischen Kontakt zu faken, damit tun sich sogar künstliche Intelligenzen schwer. Über die Handtemperatur und den Schweiß konnte man spüren: Ah, doch kein Android. Dafür genau der Gesprächspartner, mit dem man sich kurz austauschen will. Oder dem man etwas anvertrauen will, was man sonst niemanden erzählen würde. Wie die Kreditkarten-Daten.

Vertrauensbildung

Dem Internet etwas anvertrauen, das empfiehlt sich nur unter Vorbehalt. Und mit Sicherheitsmaßnahmen. Ich habe lange milde den Kopf geschüttelt über jene, die wirklich geglaubt haben, dass dieses E-Mail von der Hausverwaltung sei oder dass man dringend seiner Hausbank zurückschreiben müsse. Ich arroganter Kerl. Bin ich letztens doch selbst reingefallen. Weil der Streaming-Dienst gar so beharrlich wollte, dass ich meine „Zahlungsoptionen“ aktualisiere. Wäre der Streaming-Dienst in Fleisch, Blut, Stimme und schweißigem Handschlag vor mir gestanden: Es wäre gar nichts passiert. Ich hätte ihn wahrscheinlich in die Wohnung reingelassen und mein Aquarium hergezeigt. Und auch wo ich meine Dokumentenmappe, dieses Ding aus den Tagen vor der Handy-Signatur, verstaut habe. Das Internet macht misstrauisch. Mit wem rede ich da eigentlich? Und wer will Geld von mir? Blaue Häkchen auf Twitter? Auch nicht so verlässlich. Und so ist man die Hälfte des Tages damit beschäftigt zu verifizieren, wer etwas von einem will. Und die andere Hälfte damit zu verifizieren, dass man es eh tatsächlich wirklich-„so glaub mir doch“ selber ist. Irgendwelche Kasteln ankreuzen, dass man kein Roboter ist. Weil Roboter keine Hydranten erkennen. Und Ampeln schon gar nicht.

Statt Stimme, Gesicht und Handschlag, ist ja das Handy die aktuelle Authentifizierungsmaschine. Das Handy unterschreibt. Nur blöd, dass es im Menschen nicht eingebaut ist wie Fingerabdrücke und diese unverkennbaren Grübchen im Gesicht. Aber die Evolution wird sich schon etwas einfallen lassen. Oder die Bank meines Unvertrauens. Irgendwann wird sie mich anrufen und fragen, ob ich mir die Bank-App schon injiziert habe. Schließlich gilt das Handy ohnehin schon lange schon als „Erweiterung des Selbst“. Zeit, dass es ein Teil von uns wird. Denn bis jetzt ist es eine Erweiterung, die man mühsam selbst in der Hand tragen muss. Was nicht nur Handschläge mit anderen erschwert, sondern auch Winken, Tür aufhalten und sonstige Verhaltensweisen, die sich an andere wenden statt an sich selbst. Es wird Zeit für die dritte Hand, mit der man sich bei jeder Gelegenheit als man selbst ausweisen kann. Vielleicht hat ja Elon Musk eine Idee.

100 Rätsel der Kommunikation

Norbert Philipp bespricht in dieser Kolumne die dringendsten Fragen der digitalen und analogen Kommunikation: Muss man zu Chatbots höflich sein? Wie schreit und schweigt man eigentlich digital? Heißt „Sorry“ dasselbe wie „Es tut mir leid“?. Und warum verrät „Smoke on the Water“ als Klingelton, dass ich über 50 bin.

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