Schellhorn am Samstag

Die Politik will helfen, doch sie vergrößert den Schaden

In der Eurozone sinkt die Inflation, in Österreich steigt sie. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Regierung die Teuerung mit den falschen Mitteln bekämpft.

Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht, aber schön langsam wird die Sache etwas ungemütlich. Nachdem die Teuerung im Dezember erstmals leicht rückläufig war und sich viele Experten schon über die Trendwende freuten, zogen die Preise im Jänner wieder um über elf Prozent an. Während die Inflation in der Eurozone sinkt, steigt sie in Österreich. Bliebe die Teuerung auf dem aktuellen Niveau, wäre ein Euro in sieben Jahren nur noch die Hälfte wert. Aber was genau läuft in Österreich schief? Drei Erkenntnisse, die in der aktuellen Debatte ein wenig untergehen:


1. Mehr Geld steigert die Nachfrage: Die Inflation ist in Österreich höher, weil die vielen Staatshilfen die Teuerung zusätzlich anheizen. Um zu wissen, wie die galoppierenden Preise zu bremsen wären, müsste man natürlich erst einmal wissen, warum sie so stark gestiegen sind. Und hier fängt das Unheil an: Der Hauptgrund ist eben nicht in der Ukraine zu finden. Die hohen Energiepreise verschärfen die Lage, haben sie aber nicht ausgelöst. Es sind die gerissenen Lieferketten, die mit Ausbruch der Pandemie das Angebot von Waren und Dienstleistungen geschwächt haben. Hinzu kommt ein noch nie da gewesener Arbeitskräftemangel, der viele Unternehmen zwingt, Aufträge abzulehnen. Dieses geschwächte Angebot trifft auf eine (zu) hohe Nachfrage. Und was macht die Regierung? Sie greift zur Fördergießkanne und flutet das Land mit Geld, um die Bevölkerung vor den Folgen der Teuerung zu schützen. Das ist gut gemeint, führt aber dazu, dass sich der Nachfrageüberhang weiter verstärkt. Die Folgen sind stärker steigende Preise als anderswo.

2. Für die Armen bleibt zu wenig: Viele Leistungen kommen dort an, wo sie nicht gebraucht werden. Der Staat ist selbst dann zur Stelle, wenn ihn niemand gerufen hat. Österreich schüttet heuer rund acht Milliarden Euro an Hilfen aus, 60 Prozent davon ziellos. Die Regierung unterscheidet in ihrer Fördereuphorie nicht zwischen wohlhabenden und ärmeren Haushalten. Sie steckt Familien Steuergeld zu, die gerade in den Skiurlaub fahren und ihren zweiwöchigen Sommerurlaub gebucht haben. Für diese Leute sind hohe Preise unerfreulich, aber bewältigbar. Sie brauchen keinen Teuerungsausgleich, weshalb sie mit diesen und anderen Zuwendungen einkaufen gehen. Womit die hohe Nachfrage weiter angeheizt wird. Abseits des breiten Wohlstands in Österreich gibt es eine Reihe von Menschen, die nicht wissen, wie sie angesichts der immer weiter steigenden Preise für ihren Lebensunterhalt aufkommen sollen. Die Rede ist von Niedrigverdienern, Mindestpensionisten, Kleinunternehmern, Arbeitssuchenden und chronisch Kranken. Für sie bleibt oft zu wenig Hilfe übrig.

3. Gelegenheit macht gierig: Fehlender Wettbewerb heizt die Teuerung zusätzlich an. Es besteht der begründete Verdacht, dass einige Unternehmen die Gunst der Stunde nutzen, um ihre Preise überdurchschnittlich stark zu erhöhen. Das wiederum ist nur in Branchen möglich, in denen es an Wettbewerb fehlt. Und in denen es genügend Kunden gibt, die bereit sind, die höheren Preise zu bezahlen. Den Österreichern ist das Kartell eben näher als der harte Wettbewerb.

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Deshalb ist der Ruf nach einer Deckelung der Preise klarerweise verlockend. SPÖ und Arbeiterkammer fordern bereits lautstark Obergrenzen für Mieten, Strom und Gas sowie sinkende Steuern auf Lebensmittel. Das wäre Gießkannenpolitik par excellence, weil die Maßnahmen für den Mindestsicherungsbezieher genauso gelten würden wie für den Millionär. Abgesehen davon sind sich Ökonomen in kaum einer Frage so einig wie in dieser: Preisobergrenzen schaden mehr, als sie nützen. Sie bringen zwar kurzfristig Linderung, verknappen aber das Angebot. Die Rechnung kommt später, aber sie kommt. Bestes Beispiel dafür ist Ungarn. Der Staat hat unter dem Beifall der Autofahrer die Spritpreise reguliert. Vor wenigen Wochen ging vielen Tankstellen der Treibstoff aus. Weil ausländische Lieferanten nicht mehr nach Ungarn lieferten, sondern in jene Länder, die den Marktpreis zahlen.
Die Regierung sollte also die Finger davon lassen, die Fördergießkanne einpacken und sich stärker um jene kümmern, die aus eigener Kraft mit der Teuerungswelle nicht zurechtkommen.Franz Schellhorn ist
Direktor der Denkfabrik Agenda Austria und war bis 2013 Leiter des Wirtschaftsressorts der „Presse“.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

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