Honig

Wie reinrassig müssen Kärntner Bienen sein?

(c) Frank Bienewald
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Aufruhr in Kärntens Imker-Szene: Wie reinrassig müssen Kärntner Bienen sein und mit welcher Vehemenz saust der Rassen-Paragraph des Kärntner Bienengesetz auf Abweichler herab? Es ist eine Frage ohne Antwort und sie beschäftigt seit Jahrhunderten. Vor allem Kärnten.

Für die meisten Menschen ist der Honig eine süße Versuchung. Ob aufs Brot geschmiert, mit oder ohne Butter darunter, ob in den Tee gelöffelt oder in die Milch gerührt – was zählt, ist der Geschmack. Auch der Kaufpreis mag die Entscheidung beeinflussen und für immer mehr Konsumenten sind schließlich die Umstände, in denen der Honig zustande kommt, von größerer Bedeutung: „Biologisch“ oder nicht und ohne Kontakt mit Agrochemikalien – das ist die Frage.

Ein Begriff, der düsterste Kapitel in Erinnerung ruft, ist kein Entscheidungskriterium: „Reinheit der Rassen“. Im mit bunter Werbung für und schriller Anpreisung von allerlei Produkten durchfluteten Supermärkten denkt beim Griff zum Honigglas niemand an eine „Reinheit der Rassen“. Die aber steht im Mittelpunkt eines Streits, der sich in Kärnten seit Jahren hinzieht und Jahrhunderte zurückreicht. Jahrhunderte! Was für manche wie eine Provinzposse klingt, ist für einige wenige bitterernst.

Kurz also die Fakten: Ein Förster im Bezirk Villach-Land ist Nebenerwerbs-Imker. Seine Idylle in malerischer Landschaft um den Weißensee tauchen Beamte der Bezirkshauptmannschaft in ein anderes Licht. Sie nehmen seine Bienen unter die Lupe. Sie hegen den Verdacht: Zu braun - hier sind keine „Carnica“-Bienen!

Die Beamten vollziehen das Kärntner Bienen-Wirtschaftsgesetz. Das sieht vor, dass im südlichsten Bundesland ausschließlich Bienen der Rasse „Carnica“ gezüchtet werden dürfen. Andere nicht. Wer dagegen verstößt, riskiert eine Verwaltungsstrafe bis zu 5000 €. Und: „Der Versuch ist strafbar,“ mahnt das Gesetz.

Und weiter: „Unbeschadet einer Bestrafung“ habe die Bezirksbehörde, „wenn das öffentliche Interesse es erfordert, die Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes innerhalb einer angemessenen Frist aufzutragen oder bei Gefahr im Verzug die entsprechenden Maßnahmen unmittelbar anzuordnen und gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten unverzüglich durchführen zu lassen.“

Es ist auch eine Frage des Geldes

Das also ist die Ausgangsposition, an der die Gutachter des Bezirks feststellen, dass die Bienen des gebürtigen Tirolers Sandro Huter – so heißt der Nebenerwerbs-Imker – gar keine „Carnica“ seien. Der Bescheid folgt auf dem Fuße, der Einspruch ebenso, und die Spirale dreht sich bis hinauf zum Verwaltungsgerichtshof. Der hebt auf.

Das lässt die Sachverständigen erneut antanzen. Die Amtshandlung und ihre Folgen zieht ihre Kreise bis über den Atlantik in die Redaktion der New York Times. Jedenfalls: Jetzt schauen sie, die Gutachter. Nicht nur auf die Panzerfarbe der Biene, sondern auch auf Haarlänge oder Hinterleibsform. Wieder Bescheid, wieder Berufung.

Am Freitag sagt Huter in einer Pressekonferenz in Klagenfurt, was er schon seit Jahren sagt: Die Rasse sei nicht nur in Kärnten daheim, sondern auch in Slowenien und Kroatien. „Meine Bienen sind Carnica-Bienen“, einen genetischen Beweis des Gegenteils gebe es nicht.

Es ist nicht nur eine rassische Frage, sondern auch eine finanzielle. Wird rechtsgültig festgestellt, dass im Bienenstock fremdrassige Summen zu vernehmen ist, dann trägt das Gesetz „Umweiseln“ auf. „Carnica-Königinnen kosten 50 Euro,“ so Huter. Und er fügt hinzu: „Die Züchter sind oft auch Gutachter.“

„Die Bienen haben andere Probleme"

Die New York Times hat in ihrem Beitrag („What's the Correct Color of Bees? In Austria, It's aToxic Topic“) den Bogen in die braune Vergangenheit gespannt. Der oberste Imker des Dritten Reichs, Gottfried Götze, wollte „Carnica“ in ganz „Groß-Deutschland“ ansiedeln, auf dass Wehrmachtssoldaten nur noch reinrassigen Honig bekommen sollten.

In der Landesregierung heißt am Freitag zu der Angelegenheit bloß: „Einige wenige, die sich nicht an das Gesetz halten, versuchen seit Jahren daraus einen Rassismus-Vorwurf gegenüber dem Land Kärnten abzuleiten, den wir entschieden zurückweisen. Denn es geht hier einfach nur um Zuchtfragen und unterschiedliche Bienen, nicht um Ideologien.“

Der heute zuständige Landesrat Martin Gruber (ÖVP) unternahm 2018 einen Anlauf, die Rassenbestimmungen des Bienen-Gesetzes zu lockern – und scheiterte gnadenlos. Über den Alten Platz in Klagenfurt wurden Särge mit der Aufschrift „Carnica“ getragen, Mahnwachen aufgestellt. Der damalige FP-Landesparteiobmann Gernot Darmann meinte damals: „Durch die Schaffung von Freizonen, in der alle beliebigen Rassen und Hybriden eingesetzt werden können, gäbe es in sehr kurzer Zeit Einkreuzungen verschiedenster Rassen.“

Im Institut für Bienenforschung in Wien erntet der Schlagabtausch in Kärnten bloß Achselzucken: „Die Frage der Rassen blenden wir aus“, sagt ein Wissenschaftler, der ungenannt bleiben will, die Bienen haben andere Problem. Die Klimakrise zum Beispiel.“

Drei Tage Krieg in Klagenfurt

Bienen freilich ließen die Gemüter immer schon hochgehen und hatten auch in der Vergangenheit einen hohen Stellenwert: Im sechsten Jahrhundert heißt es im Germanischen Recht: „Wert eines Bienenvolkes: Menschenleben werden mit Gold aufgewogen; das billigste Menschenleben ist das eines unfreien Fremden, das 35 Goldgulden wert ist; gleichen Wert hat 1 Leithund, 1 Habicht (abgerichtet), 1 zahmer Hirsch, 1 Hengst, 1 trächtige Stute, 1 Fuhre Heu und 1 eingehegter Bienenstock (Volk),“ berichtet Hermann Pechhackers „Die Bienenkunde in Österreich“.

Und zu finden ist dort auch der Eintrag über den „Bienenkrieg zu Klagenfurth“ vom 7. bis 9. September 1794. Auslöser war der fortlaufende Import anderer Bienenrassen. Militär wurde eingesetzt, es fielen Schüsse.

Kärnten ist übrigens nicht das einzige Bundesland mit einem Landesgesetz, dass den Imkern reinrassige Bienenstöcke vorschreibt. Bloß: Kärnten ist das einzige Bundesland, wo dies so scharf umgesetzt wird. Außerhalb Kärntens werden derartige Gesetze kaum bis gar nicht vollzogen.

>> Das Kärntner Bienen-Wirtschaftsgesetz

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