Ein Duftschleier in der Oper

Parfumeurskunst. Francis Kurkdjian, weltberühmter Parfumeur, schuf für die Neuinszenierung der „Salome“ einen Duft, der ihren Schleiertanz begleitet.

Das Set-up klingt beinahe nach einem Actionthriller in der Wiener Staatsoper: Ungefähr zwei Minuten nachdem jemand im Unterbühnenbereich auf den Auslöseknopf gedrückt hat, beginnen 15 Milliliter einer hoch konzentrierten Flüssigkeit über das Belüftungssystem in den Zuschauerraum zu diffundieren.

Etwa zwanzig Minuten lang hält sich der so in der Oper verteilte Dunst anschließend über den Rängen. Im aktuellen Fall geht es aber glücklicherweise nicht um ein actionthrillerrelevantes Konzentrat, sondern um eine spezielle Komposition von Francis Kurkdjian, einem der besten und bekanntesten Parfumeure der Welt: Auf Einladung von Regisseur Cyril Teste, mit dem er regelmäßig zusammenarbeitet, hat der Franzose einen Akkord für die Inszenierung der „Salome“ geschaffen.

Diese Erweiterung um eine olfaktorische Ebene bringt die Oper noch einmal näher an den Traum des alle Sinne erfassenden Gesamtkunstwerks heran. „Das stimmt“, sagt Kurdjian im Gespräch mit der „Presse“ wenige Stunden vor der Premiere. „Ich habe Cyril schon ein paar Mal gesagt, wir sollten etwas in Bayreuth gemeinsam machen.“ Es handelt sich nicht um die erste Zusammenarbeit der beiden, deren Vorstellungen von der Möglichkeit, kreative, künstlerische Dimensionen neu auszuloten, sich decken.

Kurkdjian wuchs in einer musikalisch interessierten, kunstaffinen Familie auf. „Mein Onkel war Komponist, alle anderen fallen eher in die Kategorie von ,amateurs éclairés‘“, sagt er, der selbst auch heute noch Klavier spielt. Im Alter von zwölf Jahren wollte er die École de danse der Pariser Oper besuchen und dort eine Ballettausbildung absolvieren – dazu kam es nicht, Kurkdjian fand freilich eine andere künstlerische Heimat.

Für Gaultier, Dior und die Oper

Auf die Frage, ob die Haute Parfumerie denn einen eigenen Kunstzweig darstelle, antwortet Kurdjian umgehend: „Ohne Zweifel. Das ist heute auch die Erwartungshaltung an uns Parfumeure, wie Künstler über unsere Arbeit zu sprechen.“ Darüber sei er selbst, wiewohl ein überaus eloquenter Gesprächspartner, jedoch nur moderat glücklich. Zur Erklärung zeigt er den Ausschnitt eines Interviews mit Schriftstellerin Françoise Sagan, die in den Sechzigerjahren in einem TV-Interview derlei Auftritte als „notwendiges Übel“ bezeichnet und betont hat, alles, was sie zu sagen habe, ohnehin in ihrem Buch gesagt zu haben. Ihrer Aussage „Alles, was ich später sage, ist nur Blabla“ kann Kurkdjian sich anschließen: „Nehmen Sie mir das bitte nicht übel, aber wenn ich ein Parfum herausbringe, ist meistens alles Wichtige schon bekannt“, sagt er. „Mein Duft ,Aqua universalis‘ zum Beispiel erklärt mit seinem Namen, wofür er steht. Ich müsste eigentlich nichts Weiteres erklären.“ Im Lauf der Jahre hat er so berühmte Düfte wie „Le Mâle“ von Jean Paul Gaultier geschaffen, außerdem hat er eine Nischenmarke, die seinen Namen trägt, lanciert. Seit 2021 ist er Hausparfumeur von Dior und bekleidet eine der renommiertesten Positionen der globalen Luxusbranche.

Bei künstlerischen Projekten könnte es mehr Erklärungsbedarf geben, räumt Francis Kurkdjian ein, aber auch diese sollten im Idealfall für sich selbst stehen. Mit seiner Duftkreation für „Salome“ in der Staatsoper bezieht er sich auf Cyril Testes Lesart des Texts von Oscar Wilde. „Salome als gerade der Kindheit entwachsene junge Frau, aber auch ambivalent, da die Figur zugleich als sinnliche Femme fatale gilt.“ Seine Duftkomposition soll „sehr körperlich, fast roh sein, etwas sehr Intimes“ und mit einer Kümmel- und Moschusnote den verschwitzten Körper der Schleiertänzerin evozieren. „Ich habe keinen Duft für eine Situation geschaffen, sondern jenen der Salome“, hält Kurkdjian fest. Für Vida Mikneviciute, die die Salome singt, hat Kurkdjian den Duft in einen Flakon abgefüllt. „Sie liebt es, ihn zu tragen“, so der Parfumeur. Ob sie auch ihren Bühnenauftritt damit olfaktorisch begleitet, wisse er nicht: Ein kleines Duftgeheimnis, das sich auch dem Publikum nicht erschließen wird.

ZUR PERSON

Francis Kurkdjian, 1969 geboren, beschließt mit 15 Jahren, Parfumeur werden zu wollen. „Le Mâle“ für Jean Paul Gaultier entsteht 1993, zahlreiche weitere Bestseller folgen. 2009 lanciert er seine Nischenparfummarke, seit 2021 Hausparfumeur bei Christian Dior.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2023)

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