Popkritik

Lewis Capaldi in Wien: Pop wie Krapfen mit Leberkäse

The Brit Awards 2023 - Show - London Lewis Capaldi performing at The 2023 Brit Awards, at the 02 Arena in London. Pictur
The Brit Awards 2023 - Show - London Lewis Capaldi performing at The 2023 Brit Awards, at the 02 Arena in London. Pictur(c) IMAGO/PA Images (IMAGO/Matt Crossick)
  • Drucken

Der schottische Jungstar Lewis Capaldi verblödelte viel Zeit, eroberte seine Fans in der Stadthalle dennoch mit seinen hochinfektiösen Powerballaden.

Muss denn Makel immer Sünde sein? Wer einst das Spiel des Klassikpianisten Glenn Gould genießen wollte, musste sein Schnaufen akzeptieren. War diese lästige Beigabe am Ende nötig dafür, dass sich das Schöne entfalten konnte? Ähnlich könnte es bei Lewis Capaldi sein. Der Schotte, der im Bereich der Powerballade talentiert wie die britische Pop-Überfliegerin Adele ist, kann seine Lieder offenbar nur mit dem richtigen Gefühl singen, wenn er davor und danach zotige Witze absetzt. Vielleicht eine Spätfolge davon, dass er schon mit zwölf in Pubs aufgetreten ist. Wobei die meisten der 11.000 Besucher in der Wiener Stadthalle wohl wenig von Capaldis Schmähs verstanden, da der gute Mann sie in solidem schottischem Akzent brabbelte.

Samtiger Spielanzug

Der Abend begann perfekt mit einer groovig-souligen Lesart des schrägen Liebeslieds „Forget Me“, dessen Protagonist sich daran erfreut, dass sein Objekt der Begierde zwar keine Liebe für ihn empfindet, dafür aber Gift und Galle spuckt. Was nicht ohne Folgen für die Psyche bleibt: „Know you can't stand my face, some scars you can't erase.“ Im Video dazu planscht der nicht gerade gertenschlanke Capaldi tapfer im weißen Badehoserl. In der Stadthalle tänzelte er in einem samtigen Spielanzug, wie ihn Buben über zehn Jahren eher selten tragen. Nicht umsonst gilt der 26-Jährige als Klassenclown der aktuellen britischen Popszene. Bei den Brit-Awards unlängst hat ihn Harry Styles auf den Mund geküsst, in Wien präsentierte er dazu eine SMS von Niall Horan, einem One-Direction-Kollegen von Styles: „Bitch!“ war die knappe Message.

Solche G'schichterln brachte Capaldi einige, dafür nur zwölf Songs. Die seine Fans textsicher beherrschen: Mit selbstbewusst bebenden Stimmen sangen sie herzerweichende Lieder wie „Before You Go“ und „Bruises“ mit. Capaldi nahm das gerührt an, sprach mit einzelnen im Publikum, nahm gar ein Selfie auf, für das er sich auf den Boden legen musste. Wirklich ekstatische Momente blieben rar. In „Someone You Loved“ probierte Capaldi auch sein Falsett aus, was er zu selten tut. Kurz: eine krude Mischung aus echtem Feeling und recht würdelosem Klamauk. Kulinarisches Äquivalent: der derzeit häufig angebotene Leberkäse-Krapfen.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.