Der Sonne und dem Gipfel entgegen: Skitour im Kärntner Lesachtal.
Kärntens ruhige Ecke

Dr. Ruhe und Dr. Bewegung ordinieren im Lesachtal

Sanfter Wintertourismus, Slow Food und Welterbe-Sauerteigbrot: all das wird man im naturbelassenen Lesachtal ausprobieren.

Die Heilungskompetenz dieses kleinen Kärntner Tals ist wohl schwer zu toppen. Denn: Hier ordinieren Kapazitäten wie Dr. Wald, Dr. Wiese, Dr. Alm und Dr. Wasser. Georg Lexer, pensionierter Chirurg und nun mit Andrea Unterguggenberger Gastgeber im gesundheitsorientierten Auszeithof Peintnerhof in Niedergail, benennt diese vier „Kollegen“ in einer Lesachtaler Wanderbroschüre als Spezialisten für positive Effekte auf das körperliche und seelische Wohlbefinden.

Aber was ist im Winter, wenn die Ordinationen dieser Doktores unter Schnee oder Eis versinken? „Dann treten Dr. Bewegung und Dr. Ruhe auf den Plan. Das Lesachtal ist der richtige Platz, wenn man keinen Massentourismus will“, verrät Lexer. An den 36 Kilometern zwischen Kötschach-Mauthen und Obertilliach – die Straße ist großteils gut ausgebaut, hat aber doch einige Engstellen – gibt es derzeit mit dem Tuffbad nur einen Hotelbetrieb mit herausragender Wellness, etwa 80 Prozent des Tourismus spielen sich auf Urlaubsbauernhöfen in den Dörfern ab. Die Wintersportinfrastruktur wird fast zur Gänze Dr. Natur überlassen – Skitouren, Schneeschuh- und Winterwandern, Rodeln und etwas Langlauf sind die winterlichen Stärken des Kärntner Lesachtals, erst in Obertilliach gibt es ein kleineres Skigebiet mit einer Gondelbahn und vier Schleppliften und höhere Langlauf-Biathlon-Kompetenz. Aber Obertilliach liegt nicht mehr in Kärnten, sondern im Osttiroler Gailtal, das allerdings – so viel Verwirrung darf sein – auch gern Osttiroler Lesachtal genannt wird.

Wellness-Coach Erika Seiwald führt Schneeschuhwanderer.
Wellness-Coach Erika Seiwald führt Schneeschuhwanderer. Grömedia

Das hat gute Gründe: Der Begriff Lesachtal – vom slowenischen Les, zu Deutsch Wald – hat sich zur Trademark für Nachhaltigkeit und unberührte(re) Natur gemausert, das von der Gail durchflossene Tal hat einiges an Awards – zum Beispiel als „Landschaft des Jahres“ der Naturfreunde oder als „naturbelassenstes und umweltfreundlichstes Tal Europas“ – eingesammelt.

Bergführer und „Gäschte“

Es gibt übrigens keinen Ort namens Lesachtal – so heißt die Gemeinde, Hauptorte sind Liesing, St. Lorenzen, der Wallfahrtsort Maria Luggau und Birnbaum. Lesachtal gehört zur Gruppe der Bergsteigerdörfer, mit den Karnischen und den Gailtaler Alpen sowie den Lienzer Dolomiten gibt es rundum eine Menge Verschreibungsmöglichkeiten für Dr. Bewegung. „30 bis 40 Prozent unserer Wintergäste kommen wegen der Skitouren, viele lassen sich von Profis auf die Berge führen“, sagt Mario Lugger, Bergführer und Gastgeber im Urlaubsbauernhof im Wiesengrund, der in Steinwurfweite der Basilika von Maria Luggau liegt. Lugger ist einer von mehreren Bergführern im Tal, die zum Tagsatz von 540 Euro die Gäste (heißen hier aber Gäschte, denn der Lesachtaler Dialekt nimmt Anleihen im benachbarten Oschttirol) zu den schönsten Gipfeln führen. „Die Skitourensaison dauert normalerweise bis Mitte April. Wer auf eigene Faust geht, sollte sich unbedingt nach der Lawinensituation erkundigen“, rät Lugger.

Die spielt bei unserer Schneeschuhwanderung mit Erika Seiwald keine Rolle. Erika war früher Verkäuferin, dann ließ sie sich zum Wellness-Coach umschulen und wandert mehrmals in der Woche mit Tuffbad-Gästen ins Weiße. „Voraussetzung zum Schneeschuhwandern sind ein bisserl Kondition und Freude an der Bewegung. Feuchtigkeitsfeste Wanderschuhe mit gutem Halt sollte man haben“, sagt sie und verrät beim Stapfen ins Wildsendertal ihre Lieblingsschneeschuhziele: „Auf die Samalm und zum Griffitzbühl, das ist oberhalb von Birnbaum.“ Erika lebt am Xaverieberg bei St. Lorenzen, durch den Job im Tuffbad konnte sie im Heimattal bleiben.

Bis in den April sind Schneeschuhwanderer auf den Hängen der Karnischen und der Gailtaler Alpen unterwegs.
Bis in den April sind Schneeschuhwanderer auf den Hängen der Karnischen und der Gailtaler Alpen unterwegs. Unterguggenberger

Erwin Soukup aus Liesing hat sich mit seinem Genusshof Mesner auf das Schneeschuhwandern spezialisiert. „Es hat 15 Jahre gedauert, das aufzubauen, aber jetzt erleben wir da einen richtigen Boom“, sagt der Bergwanderführer, der bis April fast täglich mit Schneeschuhwanderern die weißen Hänge des Lesachtals und der vielen Seitentäler erkundet. Als Wanderführer liegt sein Tagsatz mit 250 bis 300 Euro übrigens unter dem der Bergführer. Soukup vergleicht die Berge mit dem Handyladegerät, „da tankt man neue Kraft“.

Einkehr auf eine Lesachtaler Morende

Zu seinen geführten Schneeschuhwanderungen gehört die Einkehr auf Bergbauernhöfen auf eine Morende, Lesachtalerisch für Jause. Da im Tal im Winter keine Almhütten geöffnet sind, ist diese Einkehr bei Bauern sehr gefragt, Soukup nimmt – sofern er Platz hat – auch nicht bei ihm wohnende Tagesgäste mit.

Grafik: Petra Winkler/Die Presse

Apropos Einkehr: Gastronomisch ist das Lesachtal im Winter keine Gipfelregion, Gasthäuser sind aufgrund der dünnen Besiedelung spärlicher gesät als im Sommer. Das ist aber kein Problem: Ein paar Kilometer weiter in Obertilliach ist das gastronomische Angebot deutlich größer. Und obwohl das Lesachtal zur Slow-Food-Travel-Region gehört, ist nicht alles Slow Food. Beim Mascha-Wirt in Liesing etwa lacht der Toast Hawaii polynesisch aus der Karte und die Schlipfkrapfen – eine Osttiroler Spezialität mit Kartoffelfülle – entpuppen sich bei näherem Hinschmecken als gekrendelte Kärntner Nudeln mit verschiedenen Füllungen. Hinter dem Herd steht hier übrigens eine Ungarin. Besonders engagiert dagegen ist die Küche im Tuffbad, das spielt allerdings preislich in einer anderen Liga.

Brotbackkurse und Slow Food Presidio

Hier kann man auch die Spezialität des Tals verkosten: Lesachtaler Sauerteigbrot, das zum immateriellen Unesco-Kulturerbe erkoren wurde und als Slow Food Presidio als regionale Spezialität, als schützenswertes Lebensmittel, gilt. „Wir bieten den Gästen Backkurse mit unserer Brotbäuerin und wollen den Slow-Food-Anteil im Hotel erhöhen, was bei manchen Produkten allerdings sehr herausfordernd ist“, sagen Eva-Maria und Egon Oberluggauer, die Tuffbad-Hoteliere.

Sie sehen im Tal „einige bei Slow Food sehr motiviert, aber es braucht wohl noch mehr Überzeugungsarbeit, man kann ja niemanden zwingen.“ Immerhin gibt es im Tal zehn Adressen für das Sauerteigbrot, auch am Auszeithof von Unterguggenberger-Lexer und bei Familie Lugger im Wiesengrund wird das köstliche Brot aus Lesachtaler Getreide gebacken. Im Bauernladen Maria Luggau – direkt unter der Basilika – kann man es neben anderen Talspezialitäten kaufen.

Helmut Lexer erklärt die Sammlerstücke im Geigenbaumuseum in Liesing.
Helmut Lexer erklärt die Sammlerstücke im Geigenbaumuseum in Liesing. Grömedia

Und sonst? Sehenswürdigkeit des Tals ist die Natur – und, man staunt, das Geigenbaumuseum in Liesing. Johann Lexer, Jahrgang 1904, war von 1925 bis 1975 Kapellmeister der Trachtenkapelle Liesing. Sohn Helmut erzählt: „Im Alter von fünf Jahren hatte er seine erste Begegnung mit einer Geige. Mangels Streichinstrumenten im Tal brachte er sich durch Literatur das Geigenbauen bei, im Lauf seines Lebens hat er etwa 600 Geigen, Cellos, Bratschen gebaut. Die meisten hat er verschenkt.“

Vom Klangholz zum Schlager-Rock

Im Museum im Dachgeschoß der Volksmusikakademie sind viele Instrumente, auch Geigen nach Plänen der berühmten Meister Stradivari und Jakob Stainer, ausgestellt, außerdem kann man die Werkstatt besichtigen. Helmut Lexer macht es sichtlich Spaß, aus dem Leben seines Vaters zu erzählen. Dieser hat die Geigen übrigens aus Lesachtaler Holz gebaut. „Wir haben im Tal die weltbeste Fichte und besonders harten Ahorn“, erklärt der bald 80-jährige Junior. Lesachtaler Holz wurde und wird übrigens auch zum Bau venezianischer Gondeln verwendet.

Johann Lexer war bislang die musikalische Prominenz des Tals, der tourismuskritische Schriftsteller Engelbert Obernosterer („Mythos Lesachtal“) ist die literarische. In puncto Bekanntheit dürfte die an der Musikschule Lesachtal ausgebildete Lederhosen-Rockerin Melissa Naschenweng aus Nostra bei Birnbaum aber nun weiter vorn liegen. Die 32-jährige Amadeus-Preisträgerin und „Schlager-Queen“ (News), unterwegs mit pinkfarbener Harmonika, Lederhose und auf pinkfarbenem Traktor, hat mit Hits à la „I steh auf Bergbauernbuam“ die Charts erobert. Dafür dürfte sie wohl im – erraten – Lesachtal recherchiert haben.

SLOW UND SPORTLICH IM LESACHTAL

Lesachtal. Circa 30 Kilometer langes West-Ost-Tal von Kötschach-Mauthen in Kärnten bis Obertilliach, Osttirol. Wichtigste Orte der Gemeinde Lesachtal (ca. 1250 Einwohner) sind Liesing, Maria Luggau, St. Lorenzen, Birnbaum. Höchster Berg: Hohe Warte, 2780 m.

Slow Food. Das Tal ist Teil der Slow-Food-Travel-Region, die Brotherstellung mit Sauerteig ist immaterielles Unesco-Welterbe.

Skitouren. Zig Möglichkeiten in Gailtaler und Karnischen Alpen, Lienzer Dolomiten. Am besten mit Bergführer.

Schneeschuhwandern. Viele Trails in den Seitentälern, schönste Touren auf Samalm, Lakenalm, Hurde Obergailer Berg.

Langlaufen. 60 Kilometer Loipen im Tal, Obertilliach im Osttiroler Lesachtal ist Langlauf-Biathlon-Zentrum.

Skifahren. Familienskigebiet Golzentipp in Obertilliach, eine Gondelbahn, vier Schlepplifte.

Besuchen. Geigenbaumuseum: Geigenbauer Johann Lexer war Kapellmeister in Liesing, viele seiner Werke sind im Dachgeschoß der Volksmusikakademie zu bewundern. Sohn Helmut Lexer ist beredter Guide. T.: 0664/21 41 651

Wohnen. Das Tuffbad bei St. Lorenzen ist der Topbetrieb des Tals, feine Ruhelage, großes Wellnessangebot, engagierte Kulinarik, www.tuffbad.at

Der Urlaubsbauernhof Mesner in Liesing ist Spezialist für (geführtes) Schneeschuhwandern, genusshofmesner.at.

Im Vorbeterhof im Wiesengrund in Maria Luggau bietet Hausherr Mario Lugger Ferienwohnungen und als Bergführer geführte Skitouren, bauernhofimwiesengrund.at

Der Peintnerhof in Obergail ist Spezialist für gesunden Urlaub und Brotbackkurse, www.peintnerhof.at

Infos. www.lesachtal.com, www.alpinschulelesachtal.at, www.carnicoalpin.com. www.kaernten.at

Compliance-Hinweis. Die Reise erfolgte auf Einladung der Kärnten-Werbung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.02.2023)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.