Morgenglosse

Die Minister und ihre aufgeblähten Kabinette

Die Politik dominiert zunehmend die Bürokratie. Das ist keine gute Entwicklung.

117 Mitarbeiter hatten die Minister Jahr 2000, zu Beginn der schwarz-blauen Regierung, in ihren Kabinetten beschäftigt. Heute, unter Türkis-Grün, sind es 247, also mehr als doppelt so viele. Hat sich die Arbeit in den Ministerkabinetten verdoppelt? Wohl kaum. Vielmehr ist die Aufblähung des Apparats Ausdruck einer Machtverschiebung: Früher musste sich die politische Führung des Ressorts auf die Arbeit der Fachbeamten verlassen. Die sind der Republik verpflichtet, nicht der Person des Ministers und durch die Pragmatisierung noch eigens vor politischem Druck geschützt. In den vergangenen zwei bis drei Jahrzehnten ist aber der Einfluss der Politik auf die Bürokratie massiv gewachsen. 

Die deutliche Aufstockung der Kabinette ist da nur ein Puzzlesteinchen. Die Kabinette bilden nun quasi das Gegengewicht zur Fachbeamtenschaft und sorgen dafür, dass der Minister nicht auf seine Beamten angewiesen ist, wenn er fachliche Expertise benötigt. Der zweite Schritt war die Einführung von Generalsekretariaten: Im Gegensatz zum Kabinett, das den Beamten gegenüber nicht weisungsbefugt ist, steht der Generalsekretär an der Spitze der Weisungskette. Der Minister kann nun über seinen Generalsekretär direkten Einfluss auf die Beamten ausüben. Das konnte er zwar immer schon per Weisung, jetzt geht das aber, ohne persönlich dafür verantwortlich zu sein. Und Drittens hat die zeitliche Befristung von Spitzenpositionen für einen Kulturwandel gesorgt. Gedacht war das, um ungeeignetes Führungspersonal wieder los werden zu können, doch sorgt das natürlich auch dafür, dass die Abhängigkeit der Sektionschefs vom jeweiligen Minister gestiegen ist. Zumal viertens zunehmend ehemalige Kabinettsmitarbeiter in Führungspositionen in den Ministerien aufsteigen. Deren Loyalität liegt oft bei jener politischen Partei, die sie einst eingestellt hat.

Nun muss man diese Entwicklung nicht gänzlich negativ sehen: Bürokratische Apparate neigen zu Schwerfälligkeit und zu Besitzstandswahrung. Wenn Ressortchefs sich die Spitzen der Verwaltung aussuchen können, sind sie auch in der Lage, das Ministerium besser zu führen. Aber: Kenner der Hochbürokratie berichten von zunehmenden Verlusten an Kompetenz aufgrund von politisch motivierter Postenbesetzung. Diese sei früher auch immer wieder einmal vorgekommen - inzwischen aber die Regel.

Welche negativen Auswirkungen diese Entwicklung hat, macht der nun zu Ende gehende Untersuchungsausschuss deutlich: Nicht nur politische Postenbesetzungen wurden dort dokumentiert, sondern auch Auftragsvergaben an parteinahe Firmen, etwa für Meinungsumfragen, die wenig mit den Aufgaben des Ministeriums zu tun haben. Oder Einflussnahmen auf Finanzverfahren von Parteigünstlingen. Aufgabe eines widerborstigen Beamtenapparats wäre da, nein zu sagen. Das haben manche auch gemacht, wie man anerkennend feststellen muss. Die Regel ist das aber leider nicht mehr.

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