Mein Dienstag

Einfach so? Einfach so!

Branden Gleeson und Colin Farrell in „The Banshees of Inisherin“.
Branden Gleeson und Colin Farrell in „The Banshees of Inisherin“.Jonathan Hession, Courtesy of Searchlight Pictures © 2022 20th Century Studios
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Wenn sich jemand von einem abwendet, gibt es hoffentlich einen guten und nachvollziehbaren Grund dafür. Wenn nicht, hat man ein Problem.

Es gibt da diese Szene in dem Film „The Banshees of Inisherin“, der derzeit im Kino läuft und einer der großen Oscar-Favoriten ist. Colm (Branden Gleeson) sagt zu seinem bis dahin engsten Freund Pádraic (Colin Farrell), er finde ihn langweilig und wolle keine Zeit mehr mit ihm verbringen.

Pádraic ist sprachlos. Noch bis gestern verbrachten sie jeden Tag miteinander, redeten über Belangloses ebenso wie über wichtige persönliche Themen. Nach all den Jahren soll plötzlich Schluss damit sein? Einfach so? Ja. Colms Entscheidung ist endgültig. Er will sich mit anderen Dingen beschäftigen, wieder mehr lesen und Lieder komponieren. Pádraic bleibt nichts anderes übrig, als diese Situation zu akzeptieren und sein Leben neu zu ordnen.

Eine Erfahrung, die die meisten von uns schon gemacht haben. Eine geschätzte oder geliebte Person wendet sich von einem ab, und man bleibt ratlos zurück, weil man die Gründe dafür nicht verstehen kann. Oder nicht verstehen will. Wie soll es nun weitergehen? Einigen wenigen gelingt es, das Geschehene bald hinter sich zu lassen und nach vorn zu blicken. Nach der Devise: Ich muss nicht alles verstehen, um es zu akzeptieren.

Dass ich nicht zu dieser Gruppe gehöre, versteht sich von selbst. Meine Sorte Mensch grübelt jahrelang über solche Ereignisse – und kommt vielleicht sogar nie darüber hinweg. Mit Freunden zu reden hilft ebenso wenig wie die gemeinsame Zeit Revue passieren zu lassen und sich zu fragen, wann man was falsch gemacht hat. Sport und Partys können nützlich sein, bekämpfen aber in erster Linie die Symptome, nicht die Ursache des Problems. Für Klarheit kann eigentlich nur eine Person sorgen – die, die gegangen ist. Was aber selten passiert. Vielleicht, weil sie einen nicht verletzen will; vielleicht, weil sie es selbst nicht so genau weiß; vielleicht, weil sie sich für irgendetwas schämt.

So oder so bleiben Menschen übrig, die kein Tralala mehr im Leben haben. Keine Ausgelassenheit. Kein Urvertrauen. Zurückgelassen mit der Erkenntnis, dass die Abwesenheit einer Person ein Leben vollständig ausfüllen kann.

E-Mails an: koeksal.baltaci@diepresse.com

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