Fokus auf Social Media

TikTok lehrt Facebook, Twitter und Instagram das Fürchten

TikTok hat das Geschäftsmodell erfolgreich adaptiert und sich schneller als die großen US-Mitbewerber angepasst. Die chinesische Video-Plattform knackte zudem in der Hälfte der Zeit von Facebook, die Marke von einer Milliarde Nutzern.

Die Video-App TikTok ist die am schnellsten wachsende Social-Media-Plattform weltweit. Eine Milliarde Menschen haben die App aus China installiert, 125 Millionen davon in der EU. Dafür hat TikTok nur vier Jahre gebraucht. Facebook brauchte einst doppelt so lang, um diesen Meilenstein zu erreichen. Der Sensationserfolg des 38-jährigen Entwicklers Zhang Yiming ist in seinem Heimatland überhaupt nicht verfügbar. Ähnlich wie Facebook, Twitter und Amazon, die durch die „Great Firewall“ in China ausgesperrt werden.

In 140 Ländern ist TikTok verfügbar und das in 39 Sprachen. Schätzungen gehen davon aus, dass in den USA 70 Prozent der Jugendlichen die App täglich mehrmals, teilweise über mehrere Stunden verwenden. Andere Statistiken zeichnen ein ähnliches Bild für Europa beziehungsweise für die knapp 1,2 Millionen Nutzer in Österreich.

Der rasante Aufstieg von TikTok hat die alteingesessenen Social-Media-Plattformen kalt erwischt. Allein 2023 hat TikTok bereits 205 Millionen Dollar mehr verdient als Facebook, Twitter, Snap und Instagram zusammen. „Die App-Einnahmen von TikTok sind in sieben Quartalen aufeinander gewachsen“, sagt Adam Blacker, Vizepräsident von Apptopia. Das Unternehmen ist spezialisiert auf die Analyse mobiler Anwendungen. Blacker streicht heraus, dass TikTok sein Geschäftsmodell schneller anpassen konnte, als Apple die App „Tracking Transparency“ in sein iPhone-Betriebssystem integrierte. Dies gibt den Nutzern die Kontrolle über ihre Daten zurück: Die Apple-Funktion ermöglicht Nutzern nämlich, genau einzustellen, welche Daten eine Anwendung einsammeln darf und welche nicht.

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TikTok ändert Geschäftsmodell

Auf diesen Daten basieren aber die Algorithmen zur Anzeige personalisierter Werbung. Mehr Benutzerdaten bedeuten gezieltere Anzeigen und dies hat wiederum eine höhere Zahl an Anzeigen zur Folge. Twitter und die Facebook-Mutter Meta versuchen nun, über Abo-Modelle die verlorenen Werbeeinnahmen auszugleichen. TikTok verfolgt einen gänzlich anderen Weg: Die sogenannten Creator werden mit virtuellen Diamanten belohnt, die sie von ihren Zuschauern erhalten. Diese Diamanten werden von den Usern zuvor in der App gekauft. An diesen Einnahmen verdient auch TikTok. Seit Ende Februar gehen satte 50 Prozent davon an das Unternehmen. Mit Erfolg: Der Wert des nicht börsenotierten Unternehmens wurde vor vier Wochen von Experten auf mehr als 50 Milliarden US-Dollar geschätzt.

Mit der aktuellen Diskussion um ein mögliches Verbot in den USA, Europa und auch Kanada könnte sich das Blatt für den TikTok-Mutterkonzern ByteDance wenden. Huawei hat diesen Weg bereits beschritten und ist aus den Rankings der beliebtesten und meistverkauften Smartphones zur Gänze verschwunden.

TikToks Charme-Offensive vergeblich

Ein mögliches Verbot ist für den chinesischen Konzern nicht neu. Bereits 2019 wollte der damalige US-Präsident, Donald Trump, erreichen, dass ByteDance die US-Sparte an Oracle verkauft. Seitdem ist TikTok sehr bemüht, die Bedenken gegen das Unternehmen aus dem Weg zu räumen. In regelmäßigen Abständen finden Termine mit Politikern statt. Knapp 4,5 Millionen Euro sollen 2022 in die politische PR-Arbeit gesteckt worden sein. Dabei betont das Unternehmen, dass eine „Aussetzung verfehlt“ wäre und „auf grundlegenden Missverständnissen“ beruhe, wie eine Pressesprecherin gegenüber der „Presse“ sagt. Zudem verpflichtete man sich kürzlich, die Daten europäischer Nutzer auch in Europa zu speichern. Dafür wurde „die Einrichtung von drei Datenzentren“ zugesichert, um den Datenfluss außerhalb Europas zu minimieren. Und es werden regelmäßig Maßnahmen angekündigt, wie zuletzt das „60-Minuten-Limit“. Was nach einer automatischen Abschaltung klingt, ist lediglich ein kleines Hinweisfenster, das getrost mit einem Klick ignoriert werden kann.

Auch wenn Experten den Datenschutz der TikTok-App aufgrund von Sicherheitslücken regelmäßig kritisieren, befürchtet der US-Sicherheitsexperte Bruce Schneier mit einem Verbot von TikTok das Ende des freien Internets. Er fordert weltweite strenge Datenschutzregeln. Nutzerinformationen würde nicht nur TikTok sammeln, daher plädiere er für umfassenden Schutz und nicht nur vor der „App der Woche“.


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