Heimspiel

"Ein paar Probleme mit King Covid": Van Morrison in Belfast

(c) Samir H. Köck
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Zeigt sich der grantigste irische Sänger in seiner Heimat besser gelaunt als gewohnt? Der „Presse“-Kritiker kann berichten: Ja. Derzeit wirkt Van Morrison fidel, deutet sogar Tanzschritte an. Er spielt Skiffle, den Stil seiner frühen Jugend. Und polarisiert mit Sagern über Anti-Covid-Maßnahmen.

Seinen Lieblingssänger kann man sich nicht aussuchen. Es ist wohl eine Prädisposition, die empfänglich für die Werke des notorisch übellaunigen und ruppigen Van Morrison macht. Doch in Belfast drängte sich eine Frage auf: Ist er in seiner Heimatstadt gnädiger zum Publikum? Die Antwort gab schon ein Täfelchen an der Abendkasse, das die Spielzeit angab: 90 Minuten, knapp wie anderswo. Gab es fantasievolle Schlenker im Repertoire? Auch nicht. Auf seiner aktuellen Tour konzentriert sich Morrison voll auf das Repertoire seines neuen Albums „Moving On Skiffle“, das aus gut abgehangenen Fremdkompositionen besteht. Man könnte interpretieren: Er nimmt Urlaub von sich selbst, von seinen Grübeleien zwischen existenziellem Kummer und Hoffnung auf Transzendenz. Der „Alte“, wie ihn viele Fans nennen, versucht derzeit, den Gute-Laune-Bären zu geben – und jene Musik zu spielen, die die Menschen im Belfast seiner Jugend unterhielt: harter R&B, Soul, Blues, Jazz und eben Skiffle, den Van Morrison in seiner allerersten Band praktizierte.

Eifersuchtsdrama unter Eisenbahnern

Diese Rückkehr zu den Anfängen wirkt wie ein Jungbrunnen auf den 77-Jährigen. Einmal tippte er sich gar kurz an den Hut und deutete Tanzschritte an. Der Abend startete mit knackigen Rhythmen und heißer Hammondorgel: „Streamline Train“, ein Hit der längst vergessenen Vipers von 1957, ein Eifersuchtsdrama im Eisenbahnermilieu, mit bestrickend geradlinigem Personal. Morrison, der in seinen eigenen Liedern bis in feinste psychische Verästelungen dringt, genießt offenbar solche Schlichtheit. „I don't want no other baby than you“ hieß es in einem anderen, von Mundharmonika und Waschbrett dominierten Song. Morrison selbst spielte eine böse E-Gitarre und ein süffiges Saxofon. Das gefiel selbst jenen, die für Skiffle nicht gerade brennen. Die Präzision, mit der sich Morrison diesem Stil widmet, erinnert an Bob Dylans sensible Aufarbeitung des Frank-Sinatra-Repertoires. Das Publikum in der ehrwürdigen Ulster Hall war jedenfalls begeistert.

Rund ums Konzert fanden Fantreffen statt, mit Leuten, die Morrison über 300 Mal live gesehen haben. Doch auch solche Passionierten lassen sich nicht alles gefallen. Ein wie ein Studienrat aussehender Herr in der ersten Reihe trug passend zum weißen Hemd eine Covid-Maske, offenbar aus Protest gegen den bizarren Feldzug Morrisons gegen staatliche Pandemiemaßnahmen. Gemeinsam mit Eric Clapton nahm er ja Anti-Covid-Songs wie „No More Lockdown“ auf, klagte sogar den Gesundheitsminister. Auch live in Belfast sprach er das Thema an: „Zu Beginn der Pandemie hatte ich ein paar Probleme mit King Covid. Dann begann die Regierung, mir nachzuspionieren.“ Lautes Lachen. Morrison setzte nach: „Wirklich. Ich habe das dokumentiert.“ Dann riss er an den Saiten seiner Gitarre und stürzte sich ins flotte „Gov Not Allow“, das im Original „Mama Don't Allow“ hieß.

Highlight: „Green Rocky Road“

Die Stimmung stieg dann wieder bei rau groovenden Songs wie „Come On In“. Oder bei „I Wish I Was An Apple On The Tree”, dessen Text für Kinder genauso geeignet ist wie für alte Philosophen. Highlight war aber „Green Rocky Road“, wo Van Morrison eine ähnliche Glut entfachte wie auf seinem frühen Meisterwerk „Astral Weeks“.

Der alte Sänger war schon weg, als seine Band sich noch mit einem langen Instrumental vergnügte: „Worried Man Blues“. Der Herr in der ersten Reihe trug jetzt keine Maske mehr. Nun starrte er offenen Mundes auf die jungen Frauen, die ausgelassen zur steinalten Melodie tanzten. Das Personal auf Erden mag wechseln, die Musik wird bleiben. Tradition nennt man das.

Konzerte in Wien: 17. und 18. April, Konzerthaus.

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