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Bitcoin & Blockchain

Gary Gensler in der Kritik: Sind Bitcoin-Fans zurecht enttäuscht vom Chef der Börsen-Aufsicht?

Ist Bitcoin anders als alle anderen Kryptowährungen? Der SEC-Chef wollte sich in einer Anhörung nicht mehr so klar äußern.

Dass sich Bitcoin vorige Woche wieder deutlich von seinem Zwischenhoch bei 30.000 Dollar entfernt hat, hat wohl eher mit dem neu aufgekeimten Konjunkturpessimismus zu tun, der auch den Aktienmärkten deutlich zugesetzt hat. Die Augen der Community waren indes auf Gary Gensler gerichtet, den Chef der US-Börsenaufsicht SEC, der in einem Untersuchungsausschuss im US-Repräsentantenhaus Rede und Antwort stehen musste.

Republikanische Abgeordnete werfen Gensler vor, zu aggressiv gegen die Kryptobranche vorzugehen und den Unternehmen die Nichteinhaltung von Regeln vorzuwerfen, die es nicht einmal gebe, weil die SEC keine Regeln aufgestellt habe.

Gensler hatte etwa die Kryptobörse Kraken gezwungen, ihren Staking-Service (Staking ist eine Möglichkeit, mit bestimmten Krypto-Assets Geld zu verdienen) in den USA einzustellen. Denn beim Staking-Angebot handle es sich um den Verkauf von unregistrierten Wertpapieren. Ähnliche Vorwürfe erhob die SEC auch gegen die Handelsplattform Bittrex. Der Plattform Coinbase warf die SEC vor, gegen eine Reihe von Anlegerschutzregeln verstoßen zu haben, mit Binance liegt die SEC schon länger im Clinch, weil die weltgrößte Kryptobörse US-Anlegern Geschäfte ermögliche, die in den USA nicht erlaubt seien, und weil sie ebenfalls unregistrierte Wertpapiere anbiete.

Reaktion auf die FTX-Pleite

Das scharfe Vorgehen gegen Kryptobörsen dürfte eine Reaktion auf die FTX-Pleite im Vorjahr sein. Bei der Insolvenz der damals zweitgrößten Kryptobörse hatte die SEC keine allzu gute Figur gemacht, nun will man solche Fehler offenbar nicht wiederholen.

Bei Bitcoin-Anhängern war (und ist) Gensler, der lange Zeit am MIT (Massachusetts Institute of Technology) Lehrveranstaltungen zu Krypto-Assets abgehalten hat, durchaus angesehen. Gensler kennt sich mit dem Thema aus wie kaum ein anderer und ist zu dem Schluss gekommen, dass die meisten Krypto-Assets unregistrierte Wertpapiere seien, weil sie von irgendjemandem ausgegeben werden, weil es häufig eine Gewinnerwartung gibt (die über den Kursgewinn hinausgeht) und weil der Erfolg des Projekts von einem Unternehmen abhängt.

Lediglich Bitcoin ist für Gensler kein Wertpapier, da es von niemandem emittiert wird. Es ähnelt vielmehr Rohstoffen wie Gold und sollte daher auch genauso reguliert werden – also lockerer. Diese Ansicht gefällt Bitcoin-Maximalisten, die ebenfalls der Ansicht sind, dass es nur eine einzige wirklich dezentrale und zensurresistente Kryptowährung gibt, nämlich Bitcoin.

Ethereum ist anders

Was Ethereum betrifft, so hatte Gensler wiederholt angedeutet, dass dieses spätestens seit der Umstellung auf das Proof-of-Stake-Verfahren (neue Münzen werden nicht mehr durch Rechenaufwand geschürft, sondern als Belohnung für das Sperren von bereits bestehenden Münzen im System verlost) ein Wertpapier sei.

Umso enttäuschender fanden es viele Bitcoiner, dass Gensler vor dem Untersuchungsausschuss auf die Frage, ob Ethereum, die zweitgrößte Kryptowährung nach Bitcoin, nun ein Wertpapier sei, nicht mit einem klaren „Ja“ antwortete. Nicht einmal bei XRP, dem Token des Zahlungssystems Ripple, das im Interbankengeschäft Einsatz findet, wollte sich Gensler darauf festlegen lassen, dass es sich um ein Wertpapier handle. Das stieß Bitcoin- und Krypto-Fans gleichermaßen vor den Kopf. „Shame on Gary the Clown“, schrieb ein Nutzer auf Twitter.

Ethereum hat allerdings im Laufe seiner Geschichte zahlreiche Verwandlungen erfahren. Bis vor kurzem basierte es noch auf dem Proof-of-Work-Verfahren (neue Münzen entstehen, wenn jemand energieaufwendige Rechenaufgaben löst), ähnlich wie Bitcoin. Vor kurzem stellte Ethereum jedoch ganz auf Proof of Stake um und wird seitdem als „umweltfreundlicher“ beworben, was Bitcoin-Fans ärgert: Ethereum mag zwar weniger Strom verbrauchen, ist ihrer Meinung nach aber angreifbarer und nicht wirklich dezentral. Warum hat Gensler das vor dem Untersuchungsausschuss nicht einfach gesagt? Ließ man ihm zu wenig Zeit zum Erklären? Oder sieht er am Ende gar nicht mehr so große Unterschiede zwischen Bitcoin und Ethereum?

Ethereum ist eine Plattform, auf der man zahlreiche Anwendungen durchführen kann (Verträge oder Handel mit digitalen Besitzurkunden, sogenannten „NFTs“). Die Firmen 21Shares und Coingecko haben einen „Global Crypto Classification Standard“ entwickelt, wonach Ethereum keine „Cryptocurrency“ wie Bitcoin ist, sondern eine „Smart Contract Platform“ wie Cardano, Solana oder Algorand. Während der Wert von Kryptowährungen abhängig ist von ihrem Nutzen als Wertspeicher, Tauschmittel und Recheneinheit, erlauben Smart-Contract-Plattformen Entwicklern, dezentrale Anwendungen aufzusetzen. Innerhalb des Netzwerks gibt es auch ein Zahlungsmittel, im Fall von Ethereum ist das ETH, dessen Funktion primär ist, das Netzwerk abzusichern und dort wirtschaftliche Aktivität zu ermöglichen. Bitcoin und Ethereum haben also sehr unterschiedliche Funktionen – so unterschiedliche, dass sie nicht einmal Konkurrenten sind.

Doch ist es überhaupt notwendig, dass Behörden derlei Unterscheidungen treffen? Auch die EU unterscheidet zwischen Krypto-Assets – allerdings nicht hinsichtlich der Dezentralität, sondern hinsichtlich Energieverbrauch und Auswirkungen auf die Umwelt. Das müssen Anbieter künftig offenlegen. Bitcoin-Fans fürchten, dass das zulasten von Bitcoin gehen könnte. Immerhin ist ein „Proof-of-Work“-Verbot vom Tisch.

Wer ist unser Kunde?

Vorigen Donnerstag hat das EU-Parlament die Mica-Richtlinie („Markets in Crypto Assets“) verabschiedet. Diese regelt, dass Kryptobörsen eine Lizenz benötigen und dass jeder, der ein Krypto-Asset ausgibt, ein White-Paper mit wichtigen Informationen veröffentlichen muss. Auch müssen die Börsen die Daten von Sendern und Empfängern von Krypto-Assets erheben (wenn sie dies bei der Anmeldung nicht ohnehin bereits getan haben).

Überweisungen von einer selbstverwalteten digitalen Geldbörse (Wallet) zu einer anderen sind davon aber nicht betroffen. Emittenten von Stablecoins (die etwa an den Dollar oder eine andere Währung gekoppelt sind), müssen ein Mindestmaß an Liquidität aufweisen. Im Vorjahr hatte der Zusammenbruch des Stable-Coins von Terra-Luna für Verunsicherung gesorgt.

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