Mein Dienstag

Und so platzt auch dieser Traum

Colin Farrell und Barry Keoghan in „The Banshees of Inisherin“.
Colin Farrell und Barry Keoghan in „The Banshees of Inisherin“.20th Century Studios/ Jonathan Hession
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Wie viele Lebensträume gehen schon in Erfüllung? Dennoch jagen wir ihnen nach, als wären wir nur einen Schritt von ihnen entfernt.

Es gibt da diese Szene in Martin McDonaghs Oscar-gekröntem Meisterwerk „The Banshees of Inisherin“ (2022) mit Colin Farrell in der Hauptrolle. Der etwas einfach gestrickte, noch bei seinem Vater lebende junge Mann Dominic (Barry Keoghan) fragt die selbstbestimmte Dorfschönheit Siobhán (Kerry Condon), ob sie sich vorstellen könne, irgendwann eine Beziehung mit ihm einzugehen. Sie verneint eindeutig und endgültig. „Und so platzt auch dieser Traum“, sagt Dominic tief enttäuscht, dreht sich um und geht.

Jeder von uns war schon einmal in einer solchen Situation. Ein großer, lang gehegter Traum platzt vor unseren Augen. Und jetzt? Wie soll es weitergehen? Dieser Traum war mit so vielen Sehnsüchten verbunden, so vielen Freiheiten. In Dominics Fall wäre eine Beziehung mit Siobhán eine Möglichkeit gewesen, seinem gewalttätigen Vater und dem tristen Leben auf der Insel Inisherin zu entfliehen. Entsprechend dramatisch fällt seine Reaktion auf ihre Zurückweisung aus.

Aber was ist nun eine angemessene Reaktion auf einen geplatzten Lebenstraum? In letzter Zeit habe ich viel darüber nachgedacht, auch durch diesen Film. Und bin zu dem – vorläufigen – Schluss gekommen, dass wir allzu oft dazu neigen, zu viel Hoffnung in die Erfüllung eines Traums zu setzen. Anstatt ihn als das zu sehen, was er ist: ein Silberstreif am Horizont. Weit weg. Die Chancen, dass solche Träume platzen, sind ungleich höher als die Chancen, dass sie wahr werden. Eine nicht zu leugnende Tatsache, die wir dennoch leugnen. Warum auch immer. Umso tiefer ist der Fall und härter der Aufprall, wenn das eigentlich Erwartbare passiert.

Meine persönliche, nicht übertragbare Erkenntnis daraus lautet, dass ich den Begriff Lebenstraum aus meinem Wortschatz und alles, was damit zu tun hat, aus meinen Gedanken gestrichen habe. Künftig verfolge ich nur noch Ziele, und zwar mehrere und realistische. Aber keine Träume mehr. Sie alle sind ausgeträumt.

Und falls Sie sich jetzt fragen, warum ich diesem Film gleich zwei Kolumnen binnen kurzer Zeit widme – sehen Sie ihn sich an, dann wissen Sie es.

E-Mails an: koeksal.baltaci@diepresse.com

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