WM-Titel

Schachweltmeister Ding Liren: Die Krönung von Chinas Masterplan

Stanislav Filippov / AP / pictur
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Erst verboten, dann staatlich gefördert: Das Schachspiel beschert China einen neuen Volkshelden. Und doch bleibt er ein Weltmeister von Carlsens Gnaden.

Peking. China feiert seinen ersten Schachweltmeister. Nach dem Sieg von Ding Liren über den Russen Jan Nepomnjaschtschi sprachen chinesische Staatsmedien von einem „historischen Sieg“. Das kommunistische Parteiorgan „Volkszeitung“ schrieb, dass die vierstufige chinesische Schachstrategie endlich aufgegangen sei.

Das Blatt erinnerte anlässlich des ersten männlichen Einzelweltmeisters aus China in der 137-jährigen WM-Geschichte an vorangegangenen Erfolge: den ersten Weltmeistertitel 1991 für eine chinesische Schachspielerin, das erste Gold für das Frauenteam bei der Schacholympiade 1998 und Gold für die Männer 2014.

Im chinesischen Kurznachrichtendienst Weibo schlug Ding Lirens Erfolg in Astana große Wellen. „Wir Chinesen sind auf die höchste Schachbühne aufgestiegen“, hieß es in den Kommentaren. Ding Liren sei der „Stolz Chinas“. Für die Zeitung „Hangzhou Ribao“ steht der 30-Jährige „endlich an der Weltspitze und schreibt Geschichte für Chinas nationales Ansehen“. Das Staatsfernsehen sah ohnehin einen „weiteren Meilenstein für chinesische Schachspieler“.

"Großer Drache“ am Brett

Nachdem Schach im kommunistischen China als dekadent verpönt und während der Kulturrevolution (1966–76) acht Jahre lang verboten war, ist das Land seit den 1990er-Jahren stetig zur Schachnation aufgestiegen. Vor allem der Weltmeistertitel 1991 für die Spielerin Xie Jun löste einen Boom aus. Schach wurde mittels der Strategie „Großer Drache“ staatlich gefördert, überall entstanden Schachklubs. Der aus Wenzhou in der ostchinesischen Provinz Zejiang stammende Ding Liren begann selbst im Alter von vier Jahren mit dem Spiel, gefördert von seinem Vater, einem leidenschaftlichen Schachspieler. Mit fünf Jahren gewann Ding Liren erstmals ein landesweites Turnier – mit 16 Jahren seinen ersten Titel als chinesischer Schachmeister.

„Manchmal habe ich geglaubt, ich sei süchtig nach Schach. Ohne Turniere war ich nicht glücklich“, sagte Ding, der sich als Fußballfan beschreibt und gern Zeit in Museen verbringt. Ein Jurastudium hat er abgebrochen, alles auf Schach gesetzt. Nun ist er der 17. WM-Champion der Schachhistorie.

Dabei schaffte er es nur über Umwege überhaupt ins mit zwei Millionen Euro dotierte Duell um den WM-Titel. Für das Kandidatenturnier war er nicht qualifiziert und rückte nur nach, als der Russe Sergej Karjakin wegen seiner Unterstützung für Russlands Krieg in der Ukraine vom Weltverband ausgeschlossen wurde. Da Ding Liren in der Corona-Zeit nicht genug Turniere gespielt hatte, organisierte China kurzerhand welche für ihn.

Der bisherige Weltmeister Magnus Carlsen hatte auf die Titelverteidigung wegen Motivationsmangels verzichtet, nun gratulierte er seinem Nachfolger für den Zug „zur Unsterblichkeit“. Zuvor hatte der Norweger allerdings auch gesagt: „Der Weltmeister wird nicht als Weltmeister gesehen werden. Das ist die einfache Realität.“ Die Weltrangliste führt Carlsen weiter an, er wird wohl der Fixpunkt der Schachwelt bleiben.

(red.)

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