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Auch unsere Politiker sollten über Sex schreiben dürfen

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FRANCE-POLITICS-GOVERNMENT-PORTRAITAPA/AFP/JOEL SAGET
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Frankreichs Finanzminister wird wegen einer erotischen Passage in seinem neuen Buch verhöhnt. Dabei steht er in einer großen und großartigen Tradition.

Es ist so ungerecht! 480 Seiten hat Bruno Le Maire geschrieben, im Schweiße seines Angesichts, und nur eine davon auch im Schweiße seiner libidinösen Fantasien. Der neue Roman des französischen Finanz- und Wirtschaftsministers beschert uns, wie der Klappentext verrät, eine „erschütternde Reflexion über die Zerbrechlichkeit und Lebensfähigkeit der Menschen“. Aber erschüttert hat die hechelnde Meute auf Twitter nur eine Sexszene: „Sie zeigte mir die braune Verdickung ihres Afters: ,Kommst du, Oskar? Ich bin so geweitet wie noch nie.“

Literaturkundige üben Stilkritik an diesem Anus horribilis, vergleichen ihn mit der Poesie des „veilchenfarbenen Afters“ bei Rimbaud oder des „sonnenförmigen“ bei Bataille. Soziologisch Sensible gemahnen, dass der Hintern seit Rabelais als Metapher fürs rebellische Volk dient, das den Mächtigen selbigen hinhält, und beklagen seine kulturelle Aneignung durch einen wohl Bestallten aus feinem Hause. Die meisten aber empören sich, weil ein Minister, statt rund um die Uhr gegen die Inflation anzukämpfen, seine Zeit mit Schönschreiberei verbringt.

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