Politische Zeitenwende

Thailänder wählen bei Parlamentswahl Generäle ab

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Laut ersten Ergebnissen siegten Parteien des Shinawatra-Clans und der Demokratie-Bewegung deutlich. Ob die Junta tatsächlich die Macht abgibt, ist aber offen.

Bangkok. Thailand steht vor einer politischen Zeitenwende: Bei Rekordhitze stimmten so viele Menschen wie noch nie zuvor am Sonntag über ein neues Parlament ab – und verhalfen der Opposition laut ersten Teilergebnissen zum Erdrutschsieg. Die zwei großen offenen Fragen gestern waren, wie das seit 2014 regierende Militär auf die Niederlage reagiert. Und welche Folgen das Ergebnis für den mächtigen, und immer unbeliebteren, König haben würde, in dessen Schatten die Junta agiert.

Nach Auszählung von 90 Prozent der Stimmen führte die progressive Move-Forward-Partei mit Spitzenkandidat Pita Limjaroenrat (42) und kommt laut Wahlkommission auf insgesamt etwa 150 Sitze im 500-köpfigen Parlament. Diese Partei punktete vor allem bei der Demokratie-Bewegung, die sich aus jüngeren Wählern zusammensetzt und in den vergangenen Jahren immer wieder gegen die Junta und das autoritäre Königshaus demonstrierte. Die Move-Forward-Partei pocht auf Reformen der Monarchie vor allem auf die Abschaffung jener drakonischen Gesetze, die bei der sehr vage formulierten „Beleidigung der Monarchie“ Gefängnisstrafen vorsehen. „Es ist Zeit für einen Wandel“, sagte Parteichef Pita euphorisch Sonntagabend.

Er stellte eine Koalition mit Pheu Thai in Aussicht, die mit rund 140 Sitzen den zweiten Platz belegte. Sie wird von der von den Generälen verabscheuten Partei Pheu Thai mit Spitzenkandidatin Paetongtarn Shinawatra geführt. Die 36-Jährige, die erst vor zwei Wochen zum zweiten Mal Mutter geworden war, ist Erbin der reichen Shinawatra-Politiker-Dynastie. Sie ist Nichte der beiden Ex-Premiers Thaksin Shinawatra (2001–2006) und dessen Schwester Yingluck (2011–2014), die beide in absentia verurteilt wurden und ins Exil geflüchtet sind. Der Shinawatra-Clan, der vor allem bei den Bauern im Norden des Landes große Unterstützung hat, stand hinter der Rothemden-Bewegung, die mit ihren Protesten jahrelang das Land lahmlegte und gegen die Militärs protestierte, die im Jahr 2006 Thaksin aus der Macht geputscht hatten.

Drohen neue Proteste?

Trotz des Wahlergebnisses könnte der amtierende Regierungschef und einstige Putsch-General, Prayut Chan-o-cha, an der Macht bleiben. Denn eine Verfassungsänderung nach dem Putsch sieht vor, dass gemeinsam mit den 500 neu gewählten Abgeordneten auch 250 ungewählte Senatoren entscheiden, wer Ministerpräsident wird. Diese wurden 2018 vom Militär ernannt und gelten als loyal gegenüber Prayut.

Seit Wochen wird über mögliche Koalitionen spekuliert, die es der Opposition ermöglichen würden, auch ohne die Senatoren auf die Mehrheit von 376 Stimmen zu kommen. Politischen Beobachtern zufolge könnten dem Land auch wieder Proteste drohen, sollte die Wahl des Regierungschefs am Ende nicht den Willen der Wähler widerspiegeln. Auch im Ausland blicken viele bange auf das beliebte Urlaubsland.

Ängste vor einem neuen Putsch versuchte der Armeechef, Narongpan Jittkaewtae, zu beschwichtigen. Es werde unter seiner Führung keinen weiteren Militärcoup geben, die Menschen sollten den Begriff aus ihrem Vokabular streichen, versicherte er. Seit den 1930ern wurde in dem Königreich rund ein Dutzend Mal geputscht.

(ag./basta)

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