Lehrlingsausbildung

Lehrlingsdiplome sollen bald Uni-Abschlüssen gleichgestellt werden

(c) Clemens Fabry
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Mit der Höheren Beruflichen Bildung soll die Lehre aufgewertet werden. Abschlüsse wie "Fachdiplom" und „höheres Fachdiplom“ werden praxisnahe Alternativen zum Studium. Ob das die Lehre attraktiver macht?

Im titelfixierten Österreich sollen ab 2024 mit der „Höheren beruflichen Bildung“ (HBB) auch Lehrlinge berufspraktische Qualifikationen erwerben können, die im Qualifizierungsrahmen auf derselben Stufe wie die akademischen Abschlüsse Bachelor und Master stehen. Die Lehre soll damit fachlich aufgewertet werden, das langanhaltende Image der Lehre als berufliche „Sackgasse“ endlich aus den Köpfen der Menschen verschwinden. Die WKÖ drängt schon länger auf eine Umsetzung der HBB (den ersten Ministerratsvortrag gab es bereits im Februar 2022) und bezeichnet diese als „größten bildungspolitischen Meilenstein seit dem Start der Fachhochschulen“.

Worum geht es bei der HBB genau?

Gleichwertig, aber nicht gleich, lautet die Devise. Mit der HBB sollen berufspraktische Ausbildungswege geschaffen werden, die einer hochschulisch-akademischen Bildung gleichwertig sind. Vorbild dafür, ist die Schweiz, wo das Konzept einer höheren berufspraktischen Bildung schon seit 20 Jahren fest verankert ist. Auch in Deutschland können Lehrlinge seit 2020 Titel zum geprüften Berufsspezialisten, Bachelor Professional und Master Professional erwerben. Bei der Bezeichnung der Abschlüsse will man sich in Österreich allerdings beim Schweizer Nachbarn orientieren, da hierzulande die Titel Bachelor und Master den Universitäten und Fachhochschulen vorbehalten sind. 

Aber wie schauen die neuen Qualifikationen konkret aus? Aufbauend auf den Lehrberuf eines Einzelhandelskaufmanns kann beispielsweise eine Höhere Berufsqualifikation (HBQ) zum Filialleiter erworben werden, ein Rauchfangkehrer kann sich zum Energie- und Energieeffizienzberater ausbilden lassen, der Dachdecker auf Photovoltaik spezialisieren. Die bereits bestehenden Abschlüsse zum Meister, Befähigten und Ingenieur werden dem Bachelor gleichgestellt. In jenen Bereichen, wo es keine Meister- oder Befähigungsprüfungen gibt, soll ein Fachdiplom (FD) angeboten werden – wie beispielsweise für Filial-/ oder Regionalleiter im Handel. Die Möglichkeit zu einem Höheren Fachdiplom (HFD), das auf derselben Stufe wie der Masterabschluss an einer FH oder Uni steht, kann unter anderem im Bauwesen abgelegt werden, wo hohe fachliche Spezialisierungen und unternehmensübergreifende Führungskompetenzen gefragt sind. 

Wie und wo qualifiziere ich mich?

Die neuen Abschlüsse können an öffentlichen Bildungsinstitutionen, wie dem WIFI, erworben werden, die Vorbereitung und praktische Qualifizierung erfolgt hauptsächlich im Betrieb. Ein Wechsel vom berufspraktischen Weg auf den akademischen, also mit dem Fachdiplom auf die Uni zu gehen, wird auch mit der HBB nicht unbedingt einfacher. Es gehe bei der höheren Berufsbildung eher darum, ein neues Mindset zu schaffen, betont Melina Schneider, Leiterin der Abteilung für Bildungspolitik der WKÖ: „Die Kompetenzen von Menschen mit Lehrabschlüssen liegen im praktischen Tun. Diese praktische Handlungskompetenz nach dem Lehrabschluss soll auf tertiärem Niveau die gleiche Anerkennung finden, wie das akademisch erworbene Wissen.“ Ein Blick in die Schweiz zeigt: Die Höhere Berufliche Bildung genießt hohe Akzeptanz. Im Jahr 2021 wurden 29 090 Abschlüsse erworben – den größten Anteil machen die eidgenössischen Fachausweise aus. Auch gehaltsmäßig zahlt sich eine solche Ausbildung für die Absolventen aus: Verdiente jemand vor dem Abschluss 7 100 EUR, stieg das Gehalt bereits 1 Jahr nach dem Abschluss eines eidgenössischen Diploms auf 8 500 EUR. 

Der richtige Schritt gegen den akuten Lehrlingsmangel? 

In den letzten Jahren wurde mit dem dualen System und der Möglichkeit FH-Studiengänge ohne Berufsreifeprüfung zu machen, schon einiges in Bewegung gesetzt, um den Lehrlingen Wege in den tertiären Bereich zu öffnen, gibt Thomas Moldaschl von der AK zu bedenken. Diese Angebote nach oben hin weiter auszubauen, sieht er nicht als den wichtigsten Schritt, um die Attraktivität der Lehre zu fördern. „Unser Lehrlingsmonitor zeigt, dass 32 Prozent der Lehrlinge einen zusätzlichen Bildungsabschluss planen“. Sprich: Es gibt bereits eine hohe Weiterbildungsbereitschaft, das Bildungssackgassen-Image scheint also nicht ausschlaggebend für den Lehrlingsmangel zu sein. Die verbesserungswürdigen Ausbildungsbedingungen seien hier der größere Faktor, warum sich viele dann doch für eine AHS oder HTL entscheiden. 

Dennoch könnte die HBB der Lehre zu einem besseren Image verhelfen – als gleichwertige Alternative zum akademischen Bildungsweg. Das müsse sich aber sowohl in der Vergütung, sprich in den Gehältern, als auch in der Finanzierung widerspiegeln. Knapp 44 Prozent der Kosten für Weiterbildungen werden mittlerweile von privaten Haushalten getragen (von ursprünglich 28 Prozent), nur 30 Prozent zahlen die Arbeitgeber. In der Schweiz sind die Ausbildungskosten der HBB teuer, werden hauptsächlich aus der eigenen privaten Tasche finanziert. Hier sieht auch die WKÖ im Vergleich zur hochschulischen Bildung eine Schieflage und fordert eine Bildungsprämie für Unternehmen und eine bessere steuerliche Absetzbarkeit von Weiterbildungskosten.

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