Mit Federn, Haut Und Haar: Religion & Politik? Gott bewahre!

D
ie vom heurigen Alpbacher Symposium ausgelöste Debat te über Religion in der Politik ist dringlich. Die moderne Welt leidet zunehmend an Spannungen, die darauf zurückzuführen sind, dass religiöse Ideologien, welche im Gegensatz zu naturwissenschaftlichen Hypothesen weder empirisch testbar noch rational kritisierbar sind, sich zunehmend in die staatlichen Realverfassungen einschleichen. Religionen geben bekanntlich nicht nur Orientierung, sondern werden immer auch zur Sicherung von Macht missbraucht. Höchst aktuell ist die Debatte um muslimische Zuwanderer. Die hätten Integrationsbedarf, hört man. Wirklich nur die Muslime?

Als kleinste gemeinsames Bedingung für Integration in ein funktionierendes Gemeinwesen gilt die Anerkennung der staatlichen Grundordnung. Daher kann nur eine strikte Trennung von Religion und Staat ein friedliches Miteinander der Religionen und Kulturen gewährleisten. Jegliche Vermischung von religiösen Systemen mit den Grundlagen des Staates führt unweigerlich zu Konflikten zwischen einer für die Mehrheit akzeptablen (laizistisch-aufgeklärten) Staatsidee und den diversen religiösen Ideologien. So müssen angesichts der Debatte um eine "multi-ethnische" bzw. "multikulturelle Rechtssprechung" (womit wohl die Anerkennung der Scharia gemeint ist) alle Alarmglocken schrillen. Aber verdient es wirklich nur ein politisch raumgreifender Islam, angeprangert zu werden?

In Österreich gilt das Konkordat, die Trennung zwischen Kirche und Staat wurde nie vollzogen. Religiöser Konservativismus hemmte die Entfaltung der Wissenschaften und die Erneuerung der österreichischen Gesellschaft bis weit in die Zweite Republik. Genau diese Verquickung des Staates mit dem Katholizismus beschert uns nun einen peinlichen Argumentationsnotstand.

D
enn warum sollte der An spruch des Islam böse, der christliche Einfluss in der Politik aber gut sein? Nur weil letzterer der lokalen Kulturtradition entspringt? Wie könnte man einer steigenden Zahl von Österreichern muslimischen Glaubens den Einfluss auf die Fundamente des Staates verwehren, wenn sich dies die "historischen Hausherren" ganz selbstverständlich zugestehen? Jener Integrationsbedarf, welcher so oft für die muslimische Seite festgestellt wird, besteht offenbar auch für die Anwälte des Einflusses christlicher Grundsätze in der heimischen Politik. "Integration" unter Wahrung kulturell-religiöser Identitäten kann letztlich nur eine von allen anerkennbare Staatlichkeit bedeuten.

Wer eine "Re-Theologisierung" der Politik will, riskiert daher den permanenten Kampf der Kulturen. Natürlich - auch das Denken der Aufklärung ist Ideologie. Angesichts der multikulturellen Realität aber schränkt die Kultur der Aufklärung die Selbstbestimmung der Menschen am wenigsten ein und bietet den einzig möglichen Hintergrund für die Entwicklung einer pluralistischen Gesellschaft, für ein Gedeihen der Wissenschaften und der Wirtschaft. Es gibt keine Alternative zur Religion als Privatsache. Frohe Weihnachten allen, denen am friedlichen Zusammenleben gelegen ist!

Kurt Kotrschal ist Zoologe an der Uni Wien und Leiter der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle in Grünau.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.