Der Vorgarten des bösen „King Liar“ ist voller Leichen

Aus einem matten Text macht Autor und Regisseur Dominic Oley im TAG eine flotte Farce. Auch die Darsteller haben Witz.

Der Mensch ist schlecht, die Welt ist schlecht, besonders wenn es um Ausbeutung geht. Diesen simplen Schluss kann man zur 80-minütigen Farce „King Liar“ ziehen, die am Mittwoch im TAG in der Wiener Gumpendorferstraße Premiere hatte. Dominic Oley, der auch Regie führte, nennt sein Werk „eine tödlich verlogene Komödie“. Lustvoll werden Klischees amerikanischer Hegemonie und Brutalität in der Dritten Welt ausgewalzt, die Regie aber ist erfrischend einfallsreich, sogar die Videos auf einem großen Monitor sind unterhaltsam. Jedenfalls kaschiert die flotte Inszenierung einige Schwächen des lieblos poesiefreien, mit profanen Gags gespickten Textes. Auch die Darsteller haben Witz. Das entschädigt für die Seichtheit der Handlung, die laut Programm-Folder „die Verlogenheit des globalen kapitalistischen Systems“ entlarvt.

Wie also stellt Oley die Bösen bloß? Im Weißkongo feiert King Latabo Mutabo (Julian Loidl), ein Despot, der sich am liebsten auf die Sonnenbank legt, Geburtstag. Sein „Ausputzerfisch“ Bigstar (Petra Strasser) hat die Party organisiert. Der Ehrengast: die deutsche Unternehmerin Gerda Palyssen (Georg Schubert). Sie lässt sich von Latabo Mutabo giftige Billigturnschuhe aus seinen ausbeuterischen Fabriken liefern. Produziert werden die Markenware-Imitationen noch billiger als in China. Wenn das nur gut geht! Man weiß ja, wie Großmächte auf Geschäftsschädigung reagieren.

Beobachtet wird die Entwicklung vom skrupellosen und dummen US-Geheimdienst in einem War-Room. Schubert macht nicht nur als tuntige Diva im schrillen Kleid gute Figur, sondern auch als CIA-Agent Baker, der mit seinem Kollegen Kent (Maya Henselek) beinahe philosophische Gespräche führt. Er erinnert an Marlon Brando in „Apocalypse Now“, Henselek an Chaplin in „Der große Diktator“. Ein weiterer Störfaktor sind Alida (Agnieszka Wellenger als dauererregte, dauertelefonierende Freiheitskämpferin) und Fredo (Loidls zweite Rolle). Das Duo plant eine Entführung.

Dieses lustvoll zelebrierte Kidnapping (alle Menschen sind geldgierig und gehen über Leichen, Romantiker und Verliebte sind auch sehr rasch tot) mündet in Chaos. Mit „King Lear“ hat diese Show nur den braven Namen Kent und das Gemetzel gegen Ende hin gemein. Dem King fällt auf: „Mein Vorgarten ist voller Leichen, die ich gar nicht kenne.“ Aber es gibt, so weiß er, bereits neue Abnehmer für die Turnschuhe: „Nordkorea, ein neuer, jugendlich gewissenloser Markt.“ Nicht nur der Warencharakter der Kunst, sondern vor allem auch der des Menschen wird enthüllt. Und zwar recht billig und gemein. norb

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.02.2011)

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