Das schaurig schöne Arsenal der Salmonellen

(c) APA
  • Drucken

Forscher in Wien führen eine Bakterienwaffe mit dem Kryo-Elektronenmikroskop erstmals direkt vor Augen. Dabei werden die Salmonellen erst schockgefroren, und das so rasch, dass sich keine Eiskristalle bilden können

Wenn pathogene Bakterien Körperzellen attackieren, dann verwenden viele von ihnen – die Erreger von Pest, Typhus und Cholera etwa, aber auch Salmonellen – die gleiche Waffe, das Typ-III-Sekretionssystem. Das klingt harmlos, ist aber gespenstisch raffiniert: Es besteht aus Hohlnadeln, die Bakterien aus sich heraus wachsen lassen und mit denen sie an den Zielzellen andocken, sie bilden dort einen Rezeptor für sich selbst, durchdringen die Hüllen der Zellen und transportieren Gifte in sie hinein. Dieses Instrument ist nicht immer da, es muss erst durch Umweltfaktoren mobilisiert werden, Salmonellen etwa merken am pH-Wert und am Salzgehalt, wenn sie ihrem Ziel nahe sind, den Zellen der Darmwand. Dann wird aus fünf verschiedenen Proteinen ein Zylinder aufgebaut, dessen Basis in der inneren Membran der Bakterien verankert ist. Aus ihm wächst die Nadel durch die äußere Membran der Bakterien hindurch und endlich auch durch die Zellwand der Zielzelle.

Molekulare Feinstarbeit

Steht die Verbindung, fließen durch die Röhre Gifte, die das Skelett der Zielzelle schwächen, sie gerät aus der Form, stülpt sich aus, das Bakterium kann hinein. Das braucht molekulare Feinstarbeit: „Das Ganze besteht aus mehr aus 200 Einzelproteinen, die müssen geordnet aufgebaut werden“, berichtet Thomas Marlovits, er arbeitet an den beiden Wiener molekularbiologischen Grundlagenforschungsinstituten IMP und IMBA und erkundet seit Längerem die Details der Nadeln an Salmonellen. Nun kann er sie, gemeinsam mit seinem Doktoranden Oliver Schraidt, auch vor Augen führen, er hat den Proteinkomplex mit strukturbiologischen Methoden direkt beobachtet, mit Kryo-Elektronenmikroskopie (Science, 331, S. 1192).

Dabei werden die Salmonellen erst schockgefroren – auf minus 180, 190 Grad, und das so rasch, mit 100.000 Grad pro Sekunde, dass sich keine Eiskristalle bilden können, die die Bakterien sprengen würden –, dann werden sie mit Elektronenstrahlen abgetastet und dadurch rasch zerstört. Entsprechend schwach muss der Elektronenstrahl eingestellt werden, das bringt Bilder mit viel Rauschen, das von Computerprogrammen weggefiltert wird.

So kommt man auf eine Auflösung von ein paar Ångström – zehn hoch minus zehn Meter –, und damit fast in den atomaren Bereich. Aber viele Geheimnisse des Mechanismus sind auch mit den höchsten optischen Finessen noch nicht aufgedeckt. Marlovitz möchte etwa wissen, wie die Nadel aus den vielen Proteinen im Bakterieninneren ausgerechnet jene wählt, die für die Zielzellen giftig sind, und wie es sie dann transportiert: Die Gifte sind große Proteine, die Nadel ist eng – drei Nanometer, zehn hoch minus neun Meter –, die Proteine müssen erst „entfaltet“ und am Ziel neu gefaltet werden.
Käme man den Details näher, könnte man sie in zwei Richtungen nutzen, „das ist das Schöne an diesem System“, erklärt der Forscher: Man hätte neue Mittel zur Bekämpfung der Bakterien zur Hand, könnte den Aufbau des Systems stören oder, durch veränderte Umwelt, ganz unterbinden. Und umgekehrt könnte man das System nutzen und mit den Injektionsnadeln der Bakterien therapeutische Proteine in Zielzellen einschleusen, etwa Gifte in Tumorzellen.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.