Ich habe keine Lösung, aber bewundere das Problem

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Körperliche Anwesenheit ist bekanntlich noch keine Garantie für Geistesgegenwart.

Körperliche Anwesenheit ist bekanntlich noch keine Garantie für Geistesgegenwart. Und die Zahl der einen bei einem Problem umgebenden Menschen verhält sich nicht zwangsläufig direkt proportional zur Problemlösungskompetenz. Beobachten lässt sich das etwa bei einer Autopanne in, sagen wir, Armenien. Da sieht man sich, während man den Rauch aus der geöffneten Motorhaube inhaliert, nach und nach von einer Menge herbeigeströmter – durchwegs männlicher – Einheimischer umgeben. Die alle durchaus interessiert verfolgen, was sich denn hier wohl gerade abgespielt haben mag.

Die wild gestikulierend darüber debattieren, wie es zu dieser Situation gekommen ist und welcher Bekannte schon einmal in derselben Lage gewesen ist. Und die wieder von dannen ziehen, sobald es nichts Interessantes mehr zu sehen gibt. Damit kein Missverständnis entsteht – erstens findet sich meist doch jemand, der konkrete Hilfe anbietet. Und zweitens ist diese „Ich habe keine Lösung, aber ich bewundere das Problem“-Mentalität selbstverständlich auch hierzulande anzutreffen. In den Verkehrsnachrichten fasst man das Phänomen meist unter dem Begriff „Schaulustige“ zusammen.

Ähnliches lässt sich auch bei Diskussionsforen im Internet beobachten. Jemand stellt eine konkrete Frage – und darunter finden sich unzählige Einträge à la „das würde mich auch interessieren“ oder „darüber weiß ich nichts, aber ich kann über ein anderes Problem sehr ausführlich schwadronieren und mache das hiermit auch...“ Zugegeben, das passiert auch tagtäglich in persönlichen Gesprächen – nur lässt es sich im Web besonders leicht nachvollziehen, wenn man hofft, ein eigenes Problem mit Hilfe bisheriger Diskussionen lösen zu können. Was man dagegen tun könnte? Keine Ahnung, aber ich finde es faszinierend...

E-Mails an: erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.03.2011)

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