AWD Österreich: Neuer Chef, weniger Kompetenzen

(c) APA (BARBARA GINDL)
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Der deutsche Finanzdienstleister stellt Österreich-Tochter neu auf. Sie verliert Verantwortung für Länder in Osteuropa. Neuer Chef wird Samuiloff. Konsumentenschützer klagen über "systematische Fehlberatung".

Wien/Höll. Der deutsche Finanzdienstleister AWD stellt seine Österreich-Tochter neu auf. Diese verliert die Verantwortung für die Länder in Osteuropa. Die Zuständigkeiten für Polen, Tschechien, die Slowakei und Ungarn werden an die Konzernzentrale in Hannover abgegeben. Gleichzeitig wird der Vorstand umgebaut. Neuer Österreich-Chef wird Eric Samuiloff. Er folgt Ralph Müller nach, der ab Anfang April in den Vorstand der Wiener Städtischen Versicherung wechseln wird. Müller war erst Mitte 2009 vom AWD abgeworben worden, zuvor hatte er als Privatkunden-Vorstand bei der Bank Austria gearbeitet.

Die bisherigen Mitglieder der Geschäftsführung, Werner Eder und Kurt Rauscher, werden den AWD verlassen. Dieser Schritt erfolge „im besten Einvernehmen“, wie das Unternehmen versichert. Der Finanzdienstleister war in den vergangenen Jahren in Österreich unter Beschuss geraten.

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) wirft dem AWD „systematische Fehlberatung“ beim Verkauf von Immofinanz-Aktien vor. Die Immobilienaktien verloren im Zuge der Finanzkrise an Wert. Der VKI brachte für 2500 mutmaßliche Geschädigte mehrere Sammelklagen ein. „Der AWD versucht jetzt mit allen möglichen Mitteln, das Verfahren hinauszuzögern“, ärgert sich VKI-Rechtsexperte Peter Kolba im Gespräch mit der „Presse“.

Langwieriges Verfahren
Zunächst mussten die Gerichte klären, ob Sammelklagen in Österreich überhaupt zuständig sind. Nun wird, vereinfacht ausgedrückt, darüber gestritten, ob es rechtens ist, dass der VKI bei den Klagen mit dem deutschen Prozesskostenfinanzierer Foris zusammenarbeitet. Kolba hofft, dass es hier noch heuer zu einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs kommen wird. „Daher werden wir uns erst ab 2012 dem eigentlichen Thema, der Fehlberatung, widmen können“, kritisiert Kolba. Bei vielen mutmaßlichen Geschädigten sorge die Verzögerung für Unmut, immerhin seien einige bereits über 80 Jahre alt. Der AWD bestreitet alle Vorwürfe.

Der neue AWD-Österreich-Chef Samuiloff soll den Turnaround schaffen. 2009 wurde in der Region Österreich und Osteuropa ein negatives Betriebsergebnis (Ebit) von 42,3 Mio. Euro erwirtschaftet. Im Vorjahr konnte das Minus auf 4,5 Millionen Euro reduziert werden. Der Umsatz legte um 9,4 Prozent auf 74,8 Mio. Euro zu. In Österreich gab es zuletzt 700 AWD-Berater. Im Vorjahr haben hierzulande 74.000 Kunden zumindest einen Vertrag über den Finanzdienstleister abgeschlossen. Auch in Deutschland sorgte das Unternehmen zuletzt für Kritik. Die Zeitschriften „Stern“ und „Finanztest“ sowie die NDR-Fernsehredaktion „Panorama“ berichteten von einer Liste mit tausenden AWD-Kunden, die mit speziellen Fonds Verluste machten. Einige dieser Kunden seien heute finanziell ruiniert, weil ihnen auch eine Kreditfinanzierung aufgedrückt worden sei.

Der Finanzdienstleister wies Vorwürfe zurück, Kunden bei der Vermittlung von Fonds falsch oder fahrlässig beraten zu haben. AWD erklärte, der Vertrieb der entsprechenden Fonds sei zwischen 1989 und 1999 erfolgt und liege somit viele Jahre zurück. Die „Süddeutsche“ schätzte jüngst das Vermögen von AWD-Gründer Carsten Maschmeyer auf eine halbe Mrd. Euro. Er hatte das Unternehmen einst an die Börse gebracht und 2008 an den Schweizer Versicherer Swiss Life verkauft. Laut „Spiegel“ soll Maschmeyer dem ehemaligen SPD-Kanzler Gerhard Schröder eine Million Euro für dessen Memoiren gezahlt haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2011)

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