Durch die Geschichte: Ein neues Museum für Tirol

Zappen durch Geschichte neues
Zappen durch Geschichte neues(c) APA/ROBERT PARIGGER (ROBERT PARIGGER)
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„Das Tirol Panorama“ hat seine Pforten in Innsbruck geöffnet. Die Hülle für das neue Museum am Innsbrucker Bergisel ist fabelhaft.

Die gute Nachricht zuerst: Die Hülle für das neue Museum am Innsbrucker Bergisel mit dem sonderbaren Namen „Das Tirol Panorama“ ist fabelhaft. Das Innsbrucker Büro stoll.wagner hat 2006 den Wettbewerb für diesen Neubau gewonnen, der primär eine neue Heimat für das bisher in einer baufälligen alten Rotunde untergebrachte Riesenrundgemälde sein soll. Die Übersiedlung der 1896 von Zeno Diemer auf rund 1000 Quadratmetern ausgebreiteten Schlacht am Bergisel hat im Vorfeld für große Emotionen gesorgt. Von der Zerstörung eines einzigartigen Ensembles war hier die Rede. Von einem 25 Millionen Euro teuren Monument, das sich der ehemalige Tiroler Landeshauptmann Herwig van Staa habe bauen lassen: ausgerechnet jener Politiker, der bei seinem Amtsantritt die kunstinteressierten Wähler mit einem für Tirol so notwendigen Haus der Moderne gelockt hatte, das nun wohl für Jahrzehnte eine Illusion bleiben wird.

Doch zurück auf den Bergisel, in das städtebaulich fabelhaft „wie ein Strich in die Landschaft“ (Architekt Stoll) gesetzte, transparent leichte Gebäude. Um das, was in diesem neuen Museum zu sehen sein wird, wurde bis zum Eröffnungstag ein großes Geheimnis gemacht. Nur soviel wusste man: Um den „Mythos Tirol“ soll es hier gehen, zelebriert in sämtlichen Facetten seit den Ereignissen rund um die blutigen Ereignisse von 1809 bis zum Europa von heute.

Erst einmal macht der Ausstellungsbesucher allerdings Bekanntschaft mit den auf hohe Sockel gestellten Helden und Feinden von gestern, die vom Grödner Willy Vergeiner ganz in der Denkmalmanier des späten 19. Jahrhunderts aus Lindenholz geschnitzt wurden. Auf sie blickt das kleine Ausstellungsbesucherlein, bevor es per Rolltreppe in eine rote Blutwanne eintaucht, aus der sich das Riesenrundgemälde als 360°-Panorama erhebt. Noch nie war das Gemälde so perfekt gehängt, die künstlerisch mittelmäßige Malerei so gut beleuchtet, aber auch so entzaubert seines charmant schrägen Jahrmarktcharakters.

Sammelsurium der Kuriositäten

Viel zum Schauen gibt es in Teil zwei des neuen Museums, in dem laut Projektleiter Benedikt Erhard die „Behauptung Tirols“ versucht wird – in einem muffig mit Holz ausgekleideten unterirdischen Gang, dessen Vitrinen wie zufällig mit einem schrägen Sammelsurium aus mehr oder weniger Kuriosem, Heimattümelndem und Klischeebesetztem vollgestopft sind. Viel Ausgestopftes und Getrocknetes aus Tirols Flora und Fauna findet sich hier neben wichtigen Dokumenten, dazu Kitsch und Kunst: man sieht die ausgemusterte Gondel einer Bergbahn, ein Snowboard, die Pfeife von Luis Trenker, eine Kuhglocke und den monumentalen Pferdekopf des 1961 gesprengten faschistischen „Aluminium-Duce“. Was am schlimmsten ist: Bei diesem „Zappen durch die Geschichte“ (Erhard) wird der Besucher völlig allein gelassen, abgespeist mit sehr kurzen Texten.

Am Ende des Tunnels wird es wieder hell und man befindet sich mitten in dem 1880 gegründeten Tiroler Kaiserjägermuseum: Seine Wände sind in einem ewig gestrigen Geschichtsverständnis vollgehängt mit den Helden des Regiments, an deren meist schlecht gemalten Porträts noch am ehesten der Wandel der Bartmoden von Interesse sein könnte. Das dürfte wohl viele der Besucher zur spontanen Flucht animieren, womit sie aber versäumen, was in einem modernen historischen Museum nicht fehlen darf: die Anbindung des Gestern an das Heute. Das verkommt im „Tirol Panorama“ zu einer Alibiaktion.
Täglich 9 bis 17 Uhr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.03.2011)

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