Schweiz: Anschlag auf Atomorganisation

(c) AP (Steffen Schmidt)
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In den Büros von Swissnuclear verletzte eine Briefbombe zwei Mitarbeiterinnen. Die Hintergründe der Tat waren zunächst unbekannt. Wer hinter dem Anschlag steckt, ebenso.

Bern. Die Briefbombe explodierte kurz nach acht Uhr am Donnerstagmorgen in den Geschäftsräumlichkeiten von „Swissnuclear“ mitten in der Innenstadt von Olten im Kanton Solothurn. Dabei wurden zwei Mitarbeiterinnen verletzt. Eine der Frauen erlitt Hautverletzungen an Armen und Brust, die andere Frau klagte über Hörprobleme nach der Explosion.

Swissnuclear ist die AKW-Fachgruppe von Swisselectric, einer Organisation der bedeutendsten Schweizer Energiekonzerne. Wer hinter dem Anschlag steckt, ist noch unklar, es gibt laut Kantonspolizei Solothurn kein Bekennerschreiben. Offen ist zurzeit auch, ob die Tat ein politisches Motiv hat. Die AKW-Gegner verurteilten den Anschlag jedenfalls scharf. So kritisierten ihn die Grünen als feig und verachtenswert: Solche Taten hätten nichts mit der Anti-AKW-Bewegung in der Schweiz zu tun. Auch Greenpeace distanzierte sich in aller Form vom Briefbombenanschlag.

Die Atomkatastrophe in Japan löste auch in der Schweiz eine heftige Debatte über die Zukunft der Schweizer Energiepolitik aus, wobei diese Diskussion – bisher jedenfalls – überwiegend sachlich und nicht aggressiv geführt wird.

Regierung stoppt AKW-Neubau

40Prozent der Schweizer Stromproduktion stammen aus Atomkraftwerken, insgesamt sind fünf Reaktoren in Betrieb, die teilweise über 40 Jahre alt sind. Die drei ältesten, BeznauI und BeznauII im Kanton Aargau und Mühleberg im Kanton Bern, müssen in den nächsten Jahren aus Altersgründen vom Netz genommen werden.

Bisher plante die Regierung, diese Reaktoren zumindest teilweise durch neue AKW zu ersetzen. Nach den Ereignissen im japanischen Fukushima legte die Regierung die entsprechenden Bewilligungsverfahren aber vorläufig auf Eis. Gleichzeitig wurde eine vorzeitige Sicherheitsüberprüfung aller bestehenden Atomkraftwerke angeordnet. Vor allem das AKW Mühleberg ist umstritten. Es erhielt zwar erst im Jahr 2009 eine unbefristete Betriebsbewilligung, Atomkraftgegner kritisieren jedoch, es sei nicht erdbebensicher.

Die Linksparteien fordern den raschestmöglichen Ausstieg aus der Kernenergie, die bürgerlichen Parteien warnen vor Überreaktion. Immerhin müssten im Falle eines Ausstiegs aus der Atomenergie 40 Prozent des Strombedarfs ersetzt werden, höhere Strompreise wären die Folge und der Bau von umweltpolitisch umstrittenen Gaskraftwerken kaum vermeidbar.

Noch ist offen, ob nach den jüngsten Sicherheitsüberprüfungen auch in der Schweiz AKW abgeschaltet werden müssen. Ebenso unklar ist, wann und ob die Regierung wieder grünes Licht für neue Kernkraftwerke gibt. Fest steht nur, dass die Schweizer dazu das letzte Wort an der Urne haben werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.04.2011)

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