Lungenembolie: Die übersehene Krankheit

Prölls Erkrankung. EU-weit sterben jedes Jahr 500.000 Menschen an den Folgen einer Embolie. Diese wird häufig nicht erkannt, die Patienten zeigen keine Symptome. Dabei kann die Krankheit jederzeit zum Sekundenherztod führen.

Wien. Er sei den behandelnden Ärzten „persönlich zutiefst dankbar“, sagte Josef Pröll, als er Ende März aus der Innsbrucker Universitätsklinik entlassen wurde. Dazu hat der nunmehrige Ex-Vizekanzler tatsächlich allen Grund.

Denn die Lungenembolie, die beim ÖVP-Chef am 18. März nach einem Skiausflug diagnostiziert wurde, zählt nicht nur zu den am häufigsten übersehenen Krankheiten. Die Behandlung – bei der vorrangig Blutverdünnungsmittel (Heparin) verabreicht wird – muss gerade bei Embolien möglichst rasch erfolgen. „Eine Lungenembolie kann jederzeit tödlich sein“, sagt Meinhard Kneussl, Leiter der Lungenabteilung am Wiener Wilhelminenspital, zur „Presse“. Wenn der Thrombus (ein Blutgerinnsel) in der Lunge ein großes Blutgefäß, meist eine Arterie, verstopft, kann dies zum Sekundenherztod führen.

„Das Gefährliche an der Lungenembolie ist, dass sie auch ohne Symptome verlaufen kann und erst zu spät entdeckt wird“, so Kneussl. Für 500.000 Menschen in der EU endet ein derartiger Gefäßverschluss jedes Jahr tödlich. Das sind mehr, als bei Verkehrsunfällen sterben, durch Brustkrebs und Aids zusammen. „25 Prozent der Patienten versterben im Laufe eines Jahres nach dem Auftreten einer solchen Embolie“, sagt die Ärztin Sabine Eichinger-Hasenauer (Innere Medizin I, AKH Wien) zur APA. Zehn Prozent aller Todesfälle in Krankenhäusern werden durch Lungenembolien verursacht, sagt Eichinger-Hasenauer.

Ausgelöst wird die Lungenembolie in mehr als 90 Prozent der Fälle – wie auch bei Pröll – durch eine Beinvenenthrombose, bei der sich ein Blutgerinnsel im Bein loslöst und mit dem Blut über das Herz in die Lunge wandert. Dort verstopft es im schlimmsten Fall Gefäße, was in der Folge zu Herzversagen führen kann.

Thrombosen treten oft bei bettlägrigen Patienten, etwa nach Operationen, auf. Ebenso bei Menschen, die lange Zeit im Auto oder Flugzeug sitzen und sich nicht oder kaum bewegen. Übergewicht erhöht das Risiko dieser sogenannten „Reisethrombose“ noch zusätzlich. Eine solche hatte Josef Pröll schon einmal: Im Dezember 2009 nach einem Langstreckenflug nach Mauritius.

Medikamente oft ein Leben lang

Freilich verlaufen nicht alle Lungenembolien so schwer, dass sie die Betroffenen wie nun Pröll zum Rückzug aus dem Arbeitsleben zwingen. „Nach langen Flügen haben viele Menschen eine kleine Lungenembolie, die unbemerkt bleibt und problemlos verläuft“, sagt Leopold Stiebellehner, Oberarzt an der Universitätsklinik für Pulmologie am AKH Wien.

Auch bei schwereren Verläufen, die im Spital behandelt werden, „zieht man sich normalerweise nicht aus dem Berufsleben zurück“. Dass Pröll dies dennoch tut, deute auf eine schwerere Form der Embolie hin. Ebenso, dass er beim Skifahren über Atemnot klagte.

Der Stress, den das Leben als Politiker mit sich bringt, sei nach einer derartigen Erkrankung aber gar nicht das große Problem, sagt Stiebellehner. Vielmehr seien es die Lebensumstände (kaum Bewegung, lange Reisen) die das Risiko einer weiteren Thrombose (und im schlimmsten Fall Embolie) erhöhen – und die man nach einer Lungenembolie „jedenfalls ändern muss“. Für einen Spitzenpolitiker ist das jedoch kaum möglich.

Nach einer Lungenembolie sind die Patienten meist eine bis zwei Wochen im Spital, Pröll wurde nach knapp einer Woche entlassen. Behandelt wird die Lungenembolie vorrangig mit Blutverdünnungsmittel, die verhindern, dass sich weitere Blutgerinsel bilden. Weiters werden Patienten häufig Sauerstoff und kreislaufstärkende Medikamente verabreicht. Blutverdünnende Mittel in Tablettenform müssen mindestens sechs Monate, oft auch ein Leben lang eingenommen werden. Nach dem Spitalsaufenthalt „ist eine Erholungsphase ohne jegliche körperliche Belastung notwendig, bis sich der Thrombus vollständig aufgelöst hat“, so Kneussl.

Ganz ungefährlich ist auch die Behandlung der Lungenembolie nicht. Durch die blutverdünnenden Mittel ist das Verletzungsrisiko erhöht. Blutungen (Nase, Haut) sind häufige Nebenwirkungen, „in seltenen Fällen kommt es sogar zu einer Hirnblutung“, sagt Oberarzt Stiebellehner.

Auf einen Blick

Lungenembolie. Am 18. März wurde beim nunmehr zurückgetretenen Vizekanzler Josef Pröll eine Lungenembolie diagnostiziert. Zuvor hatte er bei einem Skiausflug über Atemnot geklagt. Dass die Patienten Beschwerden haben, ist aber nicht die Regel: Oft verläuft die Krankheit ohne Symptome und endet tödlich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.04.2011)

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