Dramatischer Wahlkampfendspurt

(c) AP (Clement Allard)
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Der konservative Premier Harper strebt am 2. Mai die absolute Mehrheit an, der überraschende Aufstieg der Sozialdemokraten hält das Rennen aber spannend. Liberale drohen auf den dritten Platz zurückzufallen.

Ottawa/Bra. Wenige Tage vor der Parlamentswahl in Kanada am 2.Mai gewinnt der Wahlkampf unerwartet an Dramatik: Lange schienen die Konservativen von Premier Stephen Harper auf einen deutlichen Wahlsieg zuzusteuern. Manche Umfragen deuteten sogar auf eine absolute Mehrheit für Harper hin. Nun aber könnte der Aufstieg der bisher kleinen Sozialdemokraten diese Erwartungen zunichtemachen. Die Liberalen, die größte Oppositionspartei, drohen bei der Wahl – es ist die vierte in nur sieben Jahren – gar auf den dritten Platz zurückzufallen. Für die Liberalen, die sich als traditionelle Regierungspartei verstehen, und von 1993 bis 2004 mit absoluter Mehrheit regiert haben, wäre dies eine Katastrophe.

Harpers Botschaft, dass er eine absolute Mehrheit brauche, um Stabilität in die Regierungsarbeit zu bringen, schien bisher anzukommen. Seit 2004 hat das Land nur Minderheitsregierungen gesehen. Koalitionen sind den Kanadiern fremd. 2006 und 2008 wurden Harpers Konservative stärkste Partei, verfehlten aber die Mehrheit der Sitze im Parlament. Am 25.März wurde Harper allerdings durch ein Misstrauensvotum der Opposition gestürzt. Begründet wurde dies mit einer angeblichen „Missachtung des Parlaments“ durch die Regierung.

Wahlmüde Bevölkerung

In den Umfragen liegen die Konservativen bei 40 Prozent, Liberale und Sozialdemokraten Kopf an Kopf zwischen 25 und 30 Prozent. Hinzu kommt der Bloc Quebecois, der sich aber nur in Quebec um Sitze bewirbt. Das Mehrheitswahlrecht macht die Vorhersage der Sitzverteilung allerdings extrem schwierig, weil geringfügige Änderungen in Wahlkreisen das Bild völlig verändern können.

Sagen lässt sich aber, dass die liberale Kampagne, Harper könne nicht getraut werden, offenbar auf taube Ohren bei der wahlmüden Bevölkerung stößt. Dass die Regierung das Parlament mehrmals nicht ausreichend beziehungsweise falsch informiert oder es zweimal gar beurlaubt hat, um unangenehmen Entscheidungen und Debatten aus dem Weg zu gehen, scheint die Bevölkerung kaum zu stören. Ebenso wenig wie Vorwürfe der Wahlbehörde, die Konservativen hätten gegen Gesetze zur Wahlkampffinanzierung verstoßen.

„Rise up“ („Bäumt euch auf“) fordert Liberalen-Chef Michael Ignatieff die Wähler auf und warnt vor der Beschädigung der demokratischen Institutionen durch Harper. Bemühungen der Liberalen, den Premier als Autokraten zu dämonisieren, dem die Macht nicht anvertraut werden dürfe, scheinen aber nicht zu fruchten.

Dass Kanada unter den Konservativen verhältnismäßig gut durch die Finanzkrise kam, ist ein Pfund, mit dem die Konservativen wuchern. Noch vor zwei Jahren wagte es Harper nicht, offen für sich die absolute Mehrheit zu fordern, weil ihm viele Kanadier misstrauten. Jetzt kann er offen für diese Mehrheit werben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.04.2011)

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