Süchtige und Obdachlose sind schwierige Nachbarn. Sie mithilfe der Polizei von einer Station zur nächsten zu treiben löst das Problem nicht.
Es ist immer das gleiche Spiel: Irgendwo in der Stadt treffen sich Menschen, die anderen, sagen wir es freundlich, unangenehm auffallen und daher „weg“ müssen. Manche nehmen illegale Drogen, andere zu viel von legalen. Einige von ihnen sind obdachlos, verhaltensauffällig und laut. Die allermeisten jedoch nehmen die Wiener nur wahr, weil sie irgendwie seltsam aussehen. Was in einer Stadt, der der Bürgermeister höchstselbst eine Hausordnung verordnet hat, nicht sein darf. Zumindest nicht vor der eigenen Haustür.
Die öffentlich von Anwohnern und Funktionären vorgetragenen Lösungsansätze sind vorhersehbar. Die einen rufen nach Polizei und mehr Überwachung. Die anderen kritisieren, dass in der Stadt Betreuungsplätze für Mitglieder sozialer Randgruppen fehlen. Eine dieser Gruppen ist bis heute jene der obdachlosen Ausländer. Warum also sollte es rund um die U6-Station Josefstädter Straße anders sein?
Ja, die Sorgen anderer kann man aus sicherer Entfernung gut kleinreden. Unbestritten wird sich niemand freuen, wenn das eigene Haus oder Geschäftslokal von einer Gruppe Alkoholiker belagert wird. Ganz zu schweigen von den Kindern, denen man Anblick und Umgang mit diesen Menschen ersparen will.
Das Problem ist nur, dass der Ruf nach der Exekutive diese Probleme nie löst, nur verlagert. Auf dem Schwedenplatz drängte man so die Szene aus den gut einsehbaren Bereichen in die Seitengassen, vom Karlsplatz in die ganze Stadt.
Natürlich muss eine Großstadt wie Wien auch jenen ein Angebot machen, die nicht der Hausordnungsnorm entsprechen. Die politisch unangenehme Wahrheit wird oft verschwiegen: Die konfliktfreie Stadt gibt es maximal zwischen den Zeilen des rot-grünen Koalitionsabkommens.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.05.2011)