Kroatien-Visite: "Papst kommt genau zur rechten Zeit"

KroatienVisite Papst kommt genau
KroatienVisite Papst kommt genau(c) Dapd (Joerg Koch)
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Bei seiner zweitägigen Kroatien-Visite kann Papst Benedikt XVI. mit einem Heimspiel rechnen. Politskandale, steigende Arbeitslosenraten und wachsende EU-Skepsis trüben allerdings den Besuch des katholischen Oberhaupts.

Statt Kirchenlieder schallen marschierende Stiefel und militärische Kommandos über das festlich geschmückte Rollfeld des Zagreber Flughafens Pleso. Aufgepflanzte Bajonette recken sich dem alten Mann in der weißen Soutane entgegen, als er mit vorsichtigen Schritten die Ehrengarde abschreitet: Eher wie ein Kriegsherr als ein geistliches Oberhaupt wird Papst Benedikt XVI. bei der sehr militärisch geprägten Begrüßungszeremonie seiner kroatischen Gastgeber in der selbst ernannten „Bastion des Katholizismus“ empfangen.

Der Kommentator des kroatischen Staatsfernsehens sinniert noch über die Schrecken der „großserbischen Aggression“ der 1990er-Jahre, als der Pontifex bei einer Pressekonferenz mit leiser Stimme zu seiner Zukunftsvision für das Gastland ansetzt. Der bevorstehende EU-Beitritt Kroatiens sei ein „logischer, richtiger und notwendiger Schritt“, sucht Benedikt Kroatiens nationalistischen EU-Skeptikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Er verstehe zwar die Sorge eines kleines Landes vor der „zentralistischen Bürokratie“ in Brüssel: Doch die europäische Identität bestehe gerade im Reichtum der verschiedenen Kulturen, die alle durch „die gleichen christlichen Werte geprägt“ seien.

Der weißhaarige Greis mit der erhobenen Hand lächelt von Tassen, T-Shirts und Titel-Blättern. Launig posieren Touristen in den Fußballshirts mit der Nummer 16 unter dem Namenszug von Benedikt zum Erinnerungsfoto vor dem Portal der Mariä-Himmelfahrt-Kathedrale. Doch obwohl allein am Sonntag über 400.000 Pilger zur Messe des Papstes im Zagreber Hippodrom erwartet werden, ist außerhalb des hermetisch abgesicherten Zentrums bei der ersten Kroatien-Visite des Papstes von seliger Euphorie nur wenig zu spüren.

Der politische Analyst Davor Gjenero hält das Interesse der Öffentlichkeit an der 19. Auslandsreise von Benedikt XVI. für wesentlich geringer als an den insgesamt drei Kroatien-Visiten seines Vorgängers, zu dessen Messen Millionen von Gläubigern pilgerten: „Die Situation war damals eine ganz andere als heute. Und Ratzinger ist nun einfach nicht so charismatisch und interessant wie Wojtyla.“

Angeschlagenes Land. Wie ein eingegipstes Bein thront der eingerüstete Turm der Kathedrale über der Innenstadt von Zagreb. In einem eher angeschlagenen Zustand empfängt auch der 4,4 Millionen Einwohner zählende EU-Anwärter das 84-jährige Oberhaupt der katholischen Kirche. Unzählige Politskandale, steigende Arbeitslosenraten und sinkende EU-Zustimmung trüben die Stimmung im Adria-Staat, der sich auf den letzten Metern des Verhandlungsmarathons über den Beitritt zu Europas Wohlstandsbündnis befindet.

„Dem Westen“ und der EU lasten viele Kroaten das Urteil des UN-Kriegsverbrecher-Tribunals an, das auch in Kirchenkreisen für helle Empörung sorgte. Weil Kroatiens Armee 1995 bei der „Operation Sturm“ zur Rückeroberung der von serbischen Truppen besetzten Krajina auch 200.000 serbische Zivilisten planmäßig und dauerhaft aus ihrer Heimat vertrieben hatte, verurteilte der Gerichtshof im April den in Kroatien als Nationalheld gefeierten Exgeneral Ante Gotovina zu 24Jahren Haft.

Ihrer Enttäuschung über die ihrer Meinung „ungerechte Verurteilung des Vaterlandskrieges“ durch das Tribunal ließ auch Kroatiens katholische Bischofskonferenz freien Lauf. Das Urteil habe das Vertrauen vieler Kroaten in die internationalen Rechtsinstitutionen untergraben und „Beklemmung“ in die Herzen der Gläubigen gebracht.

„Der Papst ist genau zur rechten Zeit gekommen“, sinniert auf einer Bank im Schatten der Peterskirche der Rentner Boris Valenin. Es sei eben Zeit nötig, bis nach dem Abschied vom Sozialismus und den Entbehrungen des Krieges sich das Land „normalisieren“ könne. Der Papst könne mit seinem Besuch eine „gewisse Befreiung“ von den Alltagsmühen bringen – und die „positiven Kräfte“ stärken, hofft der Kriegsveteran.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.06.2011)

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