Neues Museum im Augarten

Traditionsbetrieb. Mit einem Museum von Boris Podrecca will Augarten Porzellan seinen Modernisierungsweg weitergehen.

Wien. Mit einem industriell inspirierten Museum von Boris Podrecca geht Augarten Porzellan seinen Modernisierungsweg weiter – Porzellan als „sinnliche Erfahrung“ inklusive. Kubische Formen, kühles Design. Das ist Augarten? Zumindest auch. Denn im neuen Museum der Porzellanmanufaktur Augarten, das heute, Dienstag, präsentiert und ab Mittwoch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, prägt statt blumiger Dekors und dezenter Linien der industrielle Herstellungsprozess die Formensprache.

Architekt Boris Podrecca sieht in seinem Entwurf für Shop und Museum eine Analogie zur Porzellanfabrik, in der vor allem die Dynamik der Produktion sichtbar werden soll.

Begehbarer Brennofen

„Ich wollte nicht, dass es g'schleckt aussieht oder nach Lipizzaner-Look, also habe ich mich von der Bewegung in der Manufaktur inspirieren lassen“, sagt Podrecca. So beherbergen im Geschäft Glaskästen mit Rollrädern die verschiedenen Ausstellungsstücke. Sie wurden als Zitat jener Wagen konzipiert, die bei der Porzellanerzeugung Werkstücke zwischen den verschiedenen Produktionsschritten transportieren. Entsprechend technisch dann auch der zentrale Blickpunkt des Museums: ein meterhoher, denkmalgeschützter Brennofen, den Besucher nicht nur betrachten, sondern auch begehen können.

Porzellan nicht nur sehen (und kaufen), sondern auch spüren – passend zu diesem Leitmotiv stehen im Obergeschoß Schüsseln voller Kaolin, Feldspat und Quarz bereit, um den Besuchern die Beschaffenheit von Porzellan-Rohmaterialien näher zu bringen. „Wir wollen auf die Sinnlichkeit des Stoffes Porzellan aufmerksam machen“, so Kuratorin Claudia Lehner-Jobst – und wohl auch jüngeres Publikum gezielt ansprechen.

Denn spätestens seit der Eröffnung des von Philipp Bruni designten Geschäfts in der Wiener Innenstadt im Mai, dessen Decke mit Porzellanscherben übersät ist, wird klar: Das 1718 begründete Traditionshaus bricht nicht mit seiner Geschichte, macht aber jüngeren Kundengruppen deutliche Avancen. Die ebenfalls von Philipp Bruni entworfene Pinocchio-Vase (ihr kugelförmiger Boden macht sie zu einer beweglichen „Stehaufvase“) sowie eine Voting-Aktion für neue Augarten-Entwürfe sind Highlights dieser Entwicklung, die Augarten im Design-Sektor abseits der großmütterlichen Vitrine positionieren soll.

Dabei geht es nicht nur um die Oberfläche, sondern auch ums Geld. 2003 meldete Augarten zunächst Konkurs an, nach der Übernahme durch die Grossnig-Gruppe unterzog man das Unternehmen einer Schlankheitskur, 50 von 130 Mitarbeitern verloren ihren Job.

Reise in die Vergangenheit

In den vergangenen 18 Monaten wurde nicht nur das Museum gestaltet, sondern mit der Burghauptmannschaft das Schloss Augarten grundlegend renoviert. Restaurant und Terrasse mit Gartenblick sollen zum Verweilen abseits von Museum und Shop einladen – gegessen wird im Restaurant natürlich von Augarten-Tellern. Genug zu sehen für Fans eines klassischeren Zugangs zum Porzellan gibt es im Museum auch: Der Fokus liegt auf Objekten der 1920er- und 1930er-Jahre, zudem wird die gesamte Geschichte der Manufaktur auf einem Paravent geschildert und mit Bildmaterial untermalt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2011)

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