Machtkampf: Türkische Armee erhält neue Führung

Machtkampf Tuerkische Armee erhaelt
Machtkampf Tuerkische Armee erhaelt(c) AP
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Der bisherige Chef der Gendarmerie, Necdet Özel, wird Generalstabschef. Weitere Änderungen innerhalb der Streitmacht stehen noch bevor. Die Folgen der Kapitulation der Armeeführung sind noch nicht abzusehen.

Ankara. Nach dem geschlossenen Rücktritt der Armeespitze am Freitagabend war der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdoğan am Wochenende bemüht, die Krise herunterzuspielen. In einer TV-Rede am Samstag ging der Regierungschef kaum noch darauf ein.

Indessen scheint nun klar, dass der Chef der Gendarmerie, Armeegeneral Necdet Özel, am heutigen Montag zum Generalstabschef befördert wird. Nachrichten in regierungsnahen Medien über zu viele Generäle in der Armee deuten auf Umbaupläne für die Führungsspitze hin. Eine oft kolportierte Verkürzung des Wehrdienstes dürfte aber nicht vorgesehen sein.

Seit einem Jahr plant Erdoğan die Aufstellung einer Spezialarmee aus Zeitsoldaten zur Bekämpfung der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Diese Soldaten sollen fünf Jahre dienen und besser ausgebildet sein als die heutigen Wehrpflichtigen. Die Errichtung dieser Spezialarmee könnte ein weiterer Schritt zur Veränderung der türkischen Armee, der zweitgrößten Streitmacht der Nato, sein.

Für den laizistischen Teil der türkischen Gesellschaft bedeutete die Existenz einer mächtigen Armee bisher auch eine Garantie für die Aufrechterhaltung der laizistischen Ordnung. Dass der Wegfall dieses Machtfaktors nun besiegelt ist, wird weiter zu Verunsicherung bei jenen 50Prozent der Türken führen, die Erdoğan nicht gewählt haben.

Die Sonderrolle, die das Militär in den letzten Tagen des Osmanischen Reiches errungen hatte und die sie bis jetzt eisern verteidigte, ist aber nicht mehr zu rechtfertigen. Letztendlich fällt den Militärs nun ihr eigenes autoritäres Gehabe auf den Kopf. Generäle, die demokratische und rechtsstaatliche Prinzipien lange mit Stiefeln getreten haben, wirken wenig glaubwürdig, wenn sie in dem Moment, da sie selbst im Gefängnis landen, nach eben diesen Prinzipien rufen.

Die Folgen der Kapitulation der Armeeführung sind noch nicht abzusehen. Nur eines steht fest: Ein großes und wichtiges Land an der Südostflanke Europas ist dabei, sich grundlegend zu verändern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 1. August 2011)

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