Die guten Seiten des patscherten Lebens

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Der selektive Nachteil von Tollpatschigkeit kann so groß nicht sein: Das zeigen Natur und Literatur.

Tollpatschigkeit ist nicht gerade ein Charakterzug, den man bei Bewerbungsschreiben unter „positive Eigenschaften“ auflisten würde. Selbst mit einer großen Portion davon ausgestattet kann ich der Tollpatschigkeit aber auch Positives abgewinnen: Manchmal führt sie zu neuen Erkenntnissen, Funden und angenehmen Situationen. So stieß ich unlängst unabsichtlich an die „Strg“-Taste beim E-Mail-Tippen, obwohl ich nur die „Shift“-Taste drücken wollte: Wie durch ein Wunder öffnete sich das „Wörter zählen“-Kästchen, das ich ohne mein patschertes Danebentippen bisher nur über komplizierte Mausklicks irgendwo im „Extra“ suchen musste: Seither kenne ich den Kurzbefehl, der im schreibenden Berufsalltag ausgesprochen nützlich ist.

Sogar in der Literatur wird der Ungeschicklichkeit gehuldigt, wie etwa in „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“: Da verfällt der Held Tomas einer Dame wegen ihrer „Ungeschicklichkeit gepaart mit Leidenschaftlichkeit“ – dabei kannte Milan Kundera mich doch gar nicht... Auch in der Natur kommt reichlich Tollpatschigkeit vor, wie zahlreiche YouTube-Filmchen zeigen: Katzen, die vom Tisch/Kasten/Sessel fallen, oder Vögel, die gegen Fenster knallen.

Wäre es von außerordentlichem Nachteil, ein „patschertes Leben“ zu führen, gäbe es die Tollpatschigkeit laut Darwin wohl nicht mehr. Oder den Theorien der sexuellen Selektion folgend: Als sinnlose Eigenschaft kann sie besonders stark ausgeprägt sein und zum Lockmittel zwischen den Geschlechtern werden. Vielleicht kommen darum Kasperl-Typen gut an bei den Frauen? Oder wie es eine brasilianische Weisheit ausdrückt: Was hat ein Zirkus mit den Herzen der Frauen gemeinsam? Es ist immer Platz für noch einen Clown.

E-Mails an: veronika.schmidt@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.08.2011)

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