Arbeitsplatz: Auf das richtige Umfeld kommt es an

Unter welchen (räumlichen) Bedingungen Berufseinsteiger arbeiten, lässt auf die Firmenkultur schließen. In Zukunft wird Unternehmen dieses Thema noch deutlich mehr beschäftigen als bislang.

Marlene Schulz' Arbeitsplatz bietet Perspektive: Die Konzipientin sieht in ihrem Büro im Ares Tower in schönen Sommertagen bis nach Klosterneuburg. Grünflächen breiten sich vor ihrem Fenster aus, dazwischen fließen sowohl die Donau als auch der Verkehr auf der Donauuferautobahn. Von Letzterem hört sie im 23. Stock natürlich nichts.

„Ich habe hier auch genug Raum für mich“, sagt die 26-Jährige, die seit Juli 2010 bei der Wirtschaftssozietät bpv Hügel arbeitet. Alle Konzipienten hätten Arbeitsräume in der Größe wie ihrer. Sie könne sich ihren Arbeitsplatz auch mit persönlichen Dingen verschönern: An der Wand hängt ein Plakat eines Gemäldes des Malers Francisco de Goya. „Ein Geschenk aus meiner Zeit als Erasmus-Student“, erklärt Schulz.

„Unsere Mitarbeiter verbringen viel Zeit an ihrem Arbeitsplatz“, sagt Elke Napokoj, Partner bei bpv Hügel: „Uns ist daher wichtig, dass sie sich wohlfühlen.“ Benefits wie Gratisgetränke oder auch die private Benützung der Kanzleibibliothek sind ebenso Ausdruck der Unternehmensphilosophie wie das Du-Wort unter den Mitarbeitern. „Das beginnt bei den studentischen Mitarbeitern und geht hinauf bis zu den Partnern“, erklärt Napokoj. Solche Bemühungen sprechen dafür, dass eine angemessene Arbeitsplatzgestaltung und eine entsprechende Kultur der Zusammenarbeit mehr und mehr Thema in den Unternehmen werden.

Abseits des Büros

Was das für die Praxis bedeutet, unterscheidet sich von Fall zu Fall. Schließlich führt nicht für jeden Berufseinsteiger der tägliche Arbeitsweg ins Büro. Die Generali Versicherung nimmt jährlich 180 bis 200 neue Kundenberater in ihr Ausbildungsprogramm auf. „Die Betreuerinnen sind dort, wo der Kunde sie haben will – also beim Kunden zu Hause oder in einer unserer Geschäftsstellen“, sagt Thomas Sprung, Leiter des Exklusivvertriebs mit seinen insgesamt 1900 Mitarbeitern. Dementsprechend ist Mobilität gefragt.

Dafür bewegen sich die Mitarbeiter meist in einer gewohnten Umgebung. „In aller Regel arbeiten sie in dem Gebiet, in dem sie auch wohnen“, sagt Sprung. Während Schadensfälle und die Terminwünsche der Versicherungskunden den eigenen Terminplan bestimmen, bleibt so auch für die Berater ein gewisses Maß an Flexibilität in ihrer Planung.

„Boehringer Ingelheim zählt seit vielen Jahren zu den forschungsintensivsten pharmazeutischen Unternehmen in Österreich“, sagt Erik Patzelt, Leiter der Abteilung Research Networking. Ganz andere Anforderungen haben deshalb die Laborarbeitsplätze des Konzerns in Wien. Dort wird für verschiedene Versuchsreihen mit unterschiedlichsten Methoden gearbeitet. Das heißt, es braucht vor allem eine professionelle und zeitgemäße Ausstattung und den entsprechenden Platz. Und doch zählen auch hier Werte wie an jedem anderem Arbeitsplatz – für deren Pflege auch die neuen Mitarbeiter in der Pflicht stehen: „Für alle Funktionen sind Freude an der Teamarbeit, Flexibilität sowie Lernbereitschaft wichtige Voraussetzungen“, sagt Patzelt.

Kulturwandel im Anmarsch

Bemühungen um gute Arbeitsplatzgestaltung finden sich quer durch die Branchen. In diesem Bereich kommt aber noch einiges auf die Unternehmen zu. „Arbeitsplätze sind heute vor allem Kommunikationsplätze“, sagt Andreas Steinle, Geschäftsführer des Zukunftsinstituts in Kelkheim bei Frankfurt. Immer wieder belegen Studien, dass Berufseinsteigern ein eigener Arbeitsplatz oder gar eigenes Büro nicht mehr so wichtig sind wie den Generationen davor.

In Steinles Augen zählt bei zeitgemäßen Arbeitsplätzen die Wahlmöglichkeit: Räume für Austausch und kommunikative Arbeit braucht es ebenso wie Rückzugsbereiche, in denen man sich längere Zeit auf eine Tätigkeit konzentrieren kann. Das Büro als alleiniger Ort der Arbeit hat aber ausgedient. „Junge Leute müssen sagen können: ,Heute arbeite ich von zu Hause aus.‘ An einem anderen Tag brauchen sie wieder die Anregung der Kollegen oder die Motivation, die aus der Atmosphäre eines Ortes entsteht, an dem alle arbeiten“, sagt Steinle.

Glaubt man dem Zukunftsforscher, erwartet die Unternehmen quer durch die Branchen ein Kulturwandel. Je mehr Vertreter der neuen Generation Einzug halten, desto dringender wird der Veränderungsbedarf. „In der Breite ist dieses Bewusstsein aber noch gar nicht da. Die meisten Büros entsprechen noch der Ästhetik des Industriezeitalters. Dort gibt es nur Schwarz oder Weiß: also Einzel- oder Großraumbüro. Auch die Immobilienentwickler hinken hier hinterher.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2011)

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