Desperados und außerirdische Zielscheiben

In »Cowboys & Aliens« trifft der Darsteller von James Bond auf den von Indiana Jones, der Western auf Science-Fiction: Eine schlaue Marketing-Idee, aber als Film bleibt es ein aufgeblasenes Billig-Genrestück.

Ein typischer Western-Beginn: Der namenlose Cowboy (Daniel Craig) erwacht im Prärie-Niemandsland, wird von Banditen attackiert – und kann sie schlagfertig überwältigen. Dann reitet er in eine gottverlassene Stadt in Arizona namens Absolution, wo noch mehr Genre-Archetypen warten: Der grimmige Rancher-Potentat Woodrow Dolarhyde (Harrison Ford), dessen unfähiger, aber streitlustiger Sohn (Paul Dano) sowie dessen treuer, aber unbedankter Vorarbeiter – ein Trio wie aus Anthony Manns Western-Klassiker Der Mann aus Laramie (1955), in dem James Stewart als Fremder Aufruhr in genau so eine Dreieckskonstellation brachte.

Am Rand des Geschehens stehen weitere bekannte Figuren herum: der pragmatische Sheriff (Keith Carradine), der unterwürfige Saloon-Besitzer (Sam Rockwell) sowie eine geheimnisvolle Schöne (Olivia Wilde) mit Revolvergurt um die schmale Taille. Hieße der Film nicht Cowboys & Aliens, wäre mehr Mysterium im Rätsel um diese Dame wie auch in der einzigen Irritation des Anfangs: Der Cowboy ohne Namen erinnert sich an nichts – am allerwenigsten an die Herkunft seines unzerstörbaren, futuristischen Armbands.


Außerirdische statt Indianer. Aber bald genug bricht der erste Angriff von außerirdischen Raumschiffen über die Westernstadt herein und schweißt schließlich die konkurrierenden Fraktionen zusammen: der Rancher und seine Leute, die Gang des Banditen Jake Lonergan, als der sich der Cowboy mit Amnesie entpuppt, und dann sogar ein Stamm zunächst feindlich gesinnter Indianer. Denn das andere, das in einem klassischen Western die Indianer repräsentiert hätten, sind diesmal buchstäblich Aliens– das ist das Merchandising-Konzept hinter dieser Genre-Kreuzung, die allerdings starke Schlagseite hat. Der Science-Fiction-Teil ist nämlich so serienmäßig ausgeführt, dass man nur von einem Marketing-Gimmick sprechen kann.

Die handelsüblichen außerirdischen Invasoren liefern im wesentlichen nur groteske und entschieden unmenschliche Zielscheiben, die man gnadenlos niedermetzeln kann. Eine Einstellung, die von den Aliens angehäuftes Gold, darunter Goldzähne, zeigt, wirkt mit ihrem Holocaust-Anklang wie ein merkwürdiger Fremdkörper in einem Film, der ansonsten fröhlich ahistorisch daherkommt.

In diesem Niemandsland bleiben die Rituale des Westerns bloße Klischees, obwohl sie Regisseur Jon Favreau mit traditionellem Bewusstsein in Szene setzt. Wie schon in Iron Manzeigt sich Favreau als eine Ausnahmeerscheinung unter den heutigen Blockbuster-Regisseuren: Er legt Wert darauf, seine Geschichte auch ordentlich durchzuerzählen, und er hat ein Händchen für Schauspieler – der Verzicht auf augenzwinkernd postmoderne Ironie selbst bei diesem unwahrscheinlichen Konzept trägt wohl ein Übriges dazu bei. 007-Darsteller Craig changiert ganz überzeugend zwischen Desperado-Härte und sensibleren Momenten, aber vor allem Harrison Ford wirkt spielfreudiger, als man ihn – seit mittlerweile sehr langer Zeit – in Erinnerung hat. (Vielleicht liegen ihm Westernrollen auch einfach nur: Cowboys & Aliens isterst sein zweiter Film in diesem Genre; der erste war Robert Aldrichs Americana-Komödie The Frisco Kid, ein verkanntes Meisterwerk von 1979, das hierzulande als Ein Rabbi im Wilden Westen in die Kinos kam.)

Insbesondere die Szenen zwischen Ford und Adam Beach, einem unterschätzten Darsteller, der bislang nur in zwei Kriegsfilmen – John Woos Windtalkers und Clint Eastwoods Flags of Our Fathers – angemessene Rollen hatte, besitzen tatsächliche emotionale Resonanz. Sie erinnern allerdings auch an den Ethos und die Ideale, die der Western während seiner Blütezeit verhandelte und die selbst in billigen Produktionen für Rückhalt sorgten – und die hier ansonsten absichtlich fehlen.


Ein Western muss auf Film sein. Und das sorgt für eine Ironie, der sich Cowboys & Aliens dann doch nicht entziehen kann: Gut zwei Drittel des Films sind wie ein typischer B-Western der 50er, nur halt sündteuer umgesetzt. Zugleich ist der Stoff für den Sommerfilm-Markt verdünnt, was sich vor allem im anderen Drittel niederschlägt: Action, Explosionen und Effekte (teils angenehm analog) – solide gemacht und völlig ununterscheidbar von all den anderen Effekten, die Hollywoods Popcorn-Spektakel dominieren. Regisseur Favreau hat extra das (digitale) 3D-Format verweigert, weil er befand, dass ein Western „auf 35-mm-Film gedreht werden muss“. Aber dem Gleichmacher-Effekt der Blockbusterschmiede ist er trotzdem nicht entronnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.08.2011)

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