Fälscher im Blitzlicht: "Nichts zu verbergen"

Faelscher Blitzlicht Nichts verbergen
Faelscher Blitzlicht Nichts verbergen(c) Dapd
  • Drucken

Prozessbeginn im größten Fälscherskandal der Nachkriegszeit: Eine Familienbande schleuste 15 Jahre lang rund 50 Fälschungen von Meistern der klassischen Moderne in den Kunsthandel ein.

So einen Auftrieb wie Donnerstagmorgen hatte das Landgericht Köln schon lange nicht mehr erlebt. Mindestens 50 Fotografen und Fernsehteams, mindestens so viele Journalisten und noch mehr neugierige Zuschauer drängten in den Verhandlungssaal sieben. Als der mutmaßliche Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi verspätet aus der Untersuchungshaft hereingeführt wurde, gab es kein Halten mehr. Und Beltracchi, den Kopf umrahmt von schulterlangen Locken und im leger offen getragenen Hemd, schien sich im ganzen Trubel zu sonnen: strahlendes Siegerlächeln, von Reue keine Spur.

Der ehemalige Kunststudent gilt als Produzent von rund 50 Fälschungen von Gemälden der klassischen Moderne. 14 davon stehen in Köln vor Gericht, sie haben ihn, seine Frau Helene, deren Schwester Jeanette und den Chemiker Otto Schulte-Kellinghaus um rund 16 Mio. Euro reicher gemacht. Der Fall erschütterte den Kunstmarkt seit der Verhaftung des Trios vorigen Sommer in Freiburg, wo die Beltracchis ein Haus besitzen, aber nicht gemeldet sind. Ihr Lebensmittelpunkt ist ein Anwesen in Südfrankreich.

Peinliche Expertisen. Die großen Auktionshäuser wie Christie's, Sotheby's, Lempertz in Köln, auch die Axa Art Kunstversicherung standen dumm da und mussten sich nach ihrer Sorgfaltspflicht fragen lassen. Renommierte Experten sahen sich durch ihre Zuschreibungen düpiert, darunter der Surrealismus-Experte Werner Spies, der sieben Werken Beltracchis Echtheitszertifikate als Originale von Max Ernst ausstellte und die Arbeit „La Horde“ für 4,3 Mio. Dollar dem Schraubenmillionär Reinhold Würth zum Ankauf vorschlug, der dann auch stattfand.

Nicht nur Reinhold Würth gehört zu den Betrogenen, auch der Schauspieler Steve Martin, der eine „Landschaft mit Pferden“ von Heinrich Campendonk für 590.000 Euro erwarb, sie dann aber bei Christie's in London versteigern ließ. Steve Martin ist einer von 170 Zeugen, die an 40 Prozesstagen, die sich bis März 2012 hinziehen werden, aussagen sollen. So gut die Laune des mutmaßlichen Fälschers, so ernst die Anklage: gewerbs- und bandenmäßiger schwerer Betrug in 14 Fällen (davon drei Versuche), jeweils tateinheitlich mit Urkundenfälschung.

Was als „größter Fälscherskandal der Nachkriegszeit“ gehandelt wird, ist auf jeden Fall ein besonders raffinierter Schwindel. Über einen Zeitraum von mehr als 15 Jahren schleusten Beltracchi & Co. bisher 47 identifizierte unechte Werke in den Handel und in Auktionshäuser in Paris, London, New York und Köln ein.

Kunsthistorisch versierte Gang. Dabei gingen sie, so die Staatsanwaltschaft in der 90-minütigen Verlesung der Anklageschrift, seit dem Jahr 2000 „arbeitsteilig“ vor. Die Bilder wurden von Beltracchi, möglicherweise auch von Assistenten angefertigt. Die anderen übernahmen den Part, sie international zu vertreiben. Dabei erfanden sie nicht nur die angeblichen großväterlichen Sammlungen Jägers und Knops, sie nahmen sich auch die Kataloge des legendären Kunsthändlers und Sammlers Alfred Flechtheim vor und forschten dort nach Werken von Heinrich Campendonk, Max Pechstein, Kees van Dongen, André Derain und nicht zuletzt Max Ernst. Vor allem hielten sie nach Werken Ausschau, die nicht genauer über Abmessungen, Signaturen spezifiziert waren und mit Vorliebe solchen, die als verschollen galten.

Sie bepflasterten die Rückseiten der Bilder mit Flechtheim-Labels. Christie's bildete den Aufkleber bereits 1995 im Katalog ab, ohne dass es jemandem auffiel, dass Flechtheim nie Labels mit seinem eigenen Konterfei verwendet hatte. Da hatten sich die Fälscher einen Lapsus erlaubt. Dennoch funktionierte das Geschäft viele Jahre reibungslos, bis das zum Rekordpreis verkaufte Gemälde „Rotes Bild mit Pferden“ von Heinrich Campendonk für 2,9 Mio. Euro 2006 im Kunsthaus Lempertz zugeschlagen wurde.

Der Käufer, die in Malta ansässige Handelsgesellschaft Trasteco, veranlasste eine gründliche Untersuchung. Dabei stellte sich heraus, dass der mutmaßliche Fälscher das Pigment Titanweiß aufgetragen hatte, das im angeblichen Entstehungsjahr des Gemäldes 1914 noch nicht verwendet wurde. Spätestens seit der Klage der Firma Trasteco gegen Lempertz hatte die Polizei die beiden Schwestern und ihre Entourage im Visier. Ihre Wohnungen wurden durchsucht, die Telefone abgehört. Dabei sollen verfängliche Gespräche aufgezeichnet worden sein.

Die Beschuldigten schweigen. Die drei weiter in Untersuchungshaft einsitzenden Beschuldigten schweigen zu all dem eisern. Es bleibt abzuwarten, ob und was sie vor Gericht vortragen werden. Selbstbewusst lehnte Beltracchi die Forderung seines Anwalts ab, sein Konterfei auf den Fotos zu pixeln, um ihn unkenntlich zu machen: „Bei mir nicht“, sagt er im Gerichtssaal, „ich habe nichts zu verbergen.“ Das wird man sehen. Bis zum nächsten Termin am 21.9. hat das Gericht Zeit, die am Tag der Eröffnung des Prozesses über Amtshilfe eingegangenen sieben Ordner Bankunterlagen aus Andorra auszuwerten. Dorthin waren die Gelder der Familienbande geflossen.

Das Landeskriminalamt in Berlin, mit dem das Landgericht Köln über ein Jahr lang ermittelt hat, lud zum Prozessauftakt zu einer Ausstellung von neun der falschen Meisterwerke. Unter der Hand hört man dort: Der Fälscher wurde immer besser. Ob er in der Untersuchungshaft weiter üben kann, darüber gibt es allerdings keine Auskunft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.09.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.