Demokraten: „Zieht die Marschstiefel an“

(c) REUTERS (JASON REED)
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Eine Brandrede Obamas konsterniert die Afroamerikaner, die enttäuscht sind vom Präsidenten. Obama müht sich intensiv wie nie zuvor in seiner Amtszeit um seine auseinanderstrebende Wählerkoalition.

Washington. David Axelrod neigt nicht zu großen Worten. Doch als Barack Obamas Wahlkampfstratege neulich in New Hampshire die Chancen für eine Wiederwahl beschrieb, sprach er von einem „titanischen Kampf“. 13 Monate vor der Präsidentschaftswahl müht sich Obama intensiv wie nie zuvor in seiner Amtszeit um seine auseinanderstrebende Wählerkoalition. Zuletzt buhlte er um die Latinos, die wegen des Stillstands in der Immigrationsfrage und der steigenden Zahl der Abschiebungen frustriert sind.

Am meisten gärt es indes in jenem Segment, das der Präsident scheinbar sicher in seinem Lager wähnte. „Obama kümmert sich um alles andere. Auf uns aber hat er vergessen“, lautet der Tenor unter vielen Afroamerikanern. 2008 haben sie mit mehr als 90 Prozent für ihn votiert. Inzwischen ist die Zustimmung auf 65 Prozent gefallen, obwohl der Stolz auf den ersten schwarzen Amtsinhaber im Weißen Haus ungebrochen ist.

Intellektuelle wie Princeton-Professor Cornel West oder TV-Moderator Travis Smiley machen ihrem Unmut Luft. Die grassierende Unzufriedenheit mischt sich in Aussagen von Kongressabgeordneten wie Maxine Walters, die bestürzt sind über die langen Warteschlangen bei den Jobmessen im ganzen Land. Die Arbeitslosenrate unter Afroamerikanern ist auf fast 17 Prozent angewachsen – gegenüber einer durchschnittlichen Arbeitslosigkeit von knapp 9,1 Prozent. Mit einer Arbeitslosenquote von 40 Prozent in manchen Städten sind die Jobaussichten für junge Schwarze am düstersten.

Obama in Rage

Als jüngst die schwarze demokratische Kongressfraktion zu ihrer Jahreskonferenz zusammenkam, ließ Obama eine Brandrede vom Stapel: „Zieht die Schlafzimmer-Slipper aus und die Marschstiefel an. Hört auf zu grummeln und zu lamentieren!“ Der Rede war als Pep-Talk konzipiert, doch der Furor gegen die eigene Klientel konsternierte die schwarze Elite. Mehr noch als im Wahlkampf hatte der Präsident die Rassenfrage bisher tunlichst ausgeklammert. Dabei führen prominente Schwarze wie der Schauspieler Morgan Freeman den Widerstand gegen die Politik Obamas auf latenten Rassismus – etwa der Tea Party – zurück.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.09.2011)

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