Billiger Öko-Strom gegen teuren Ösi-Strom

Wenn die Sonne scheint und der Wind weht, produziert Deutschland viel umweltfreundlichen Strom – nur will ihn dann niemand haben.

Es ist so eine Sache mit der Liebe zur Umwelt. Da heizt man beispielsweise nur mit Holz – mit dem Effekt, dass mehr Bäume gefällt werden müssen. Man fährt mit dem Elektroauto – und muss im Gegenzug in Kauf nehmen, dass Flüsse mit Kraftwerken zugebaut werden, weil der zusätzliche Strom ja irgendwo herkommen muss. Oder man setzt auf die Stromerzeugung durch Sonne und Wind – und muss dann feststellen, dass Strom eben nur dann erzeugt wird, wenn die Sonne scheint oder der Wind bläst. Dann wird er aber nicht immer gebraucht.

Diese Erfahrung machen derzeit gerade unsere nördlichen Nachbarn. Die deutsche Bundesregierung hat Milliarden Euro an Förderungen ausgeschüttet, um möglichst viele Bewohner dazu zu bewegen, mittels Solarpanel auf dem Dach und im Garten Strom zu erzeugen. Das tun sie mittlerweile auch, freilich etwas am Markt vorbei: Angebot und Nachfrage passen überhaupt nicht zusammen.

Wenn die Sonne scheint, ist der Strombedarf nämlich generell recht gering. Genau dann wird aber so viel Ökostrom erzeugt, dass man gar nicht weiß, wohin damit. Bleibe nur, den Strom zu verschenken, wie jetzt die „Bild“-Zeitung in gewohnt nüchterner Manier und unaufgeregt berichtet: „Irrsinn“, lautet die aussagekräftige Schlagzeile. „Die Energiewende führt zum Energie-Chaos!“

In Deutschland fehle es an Speicher für den produzierten Strom, man müsse ihn daher über die Strombörse verkaufen. Nur: Genau dann, wenn man dank der Milliardenzuschüsse viel umweltfreundlich hergestellten Strom anbieten könne, wolle ihn niemand haben. Und dann wird er „zur Not an Abnehmer ins Ausland verschenkt“. Oder noch schlimmer: Im Extremfall komme es beim Handel sogar zu negativen Preisen von bis zu 500 Euro pro Megawattstunde. Für die Leser übersetzt „Bild“: „Wer den Strom vom Markt nimmt, bekommt noch einen Haufen Geld dazu.“

Die Empörung ist vermutlich auch deswegen so groß, weil einige derjenigen, die „einen Haufen Geld“ kassieren, in Österreich sitzen. Wir haben hier nämlich, was die Deutschen nicht haben: Akkus in Form großer Pumpspeicherkraftwerke.

Unsere raffinierten heimischen Energieversorger nützen also den billigen Strom, um Wasser den Berg hochzupumpen. Wenn die Nachfrage nach Strom wieder steigt – etwa dann, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht bläst – lassen sie das Wasser wieder über Rohre bergab fließen, erzeugen „mit riesigen Turbinen“, wie die Zeitung anschaulich schildert, Strom – und der wird dann von den Ösis „teuer zurück nach Deutschland verkauft“.

Die Konsequenz ist für einen von von der Zeitung befragten Energieexperten klar: Neben den umweltfreundlichen Fotovoltaikanlagen und den Windrädern werde man weiterhin viele weniger umweltfreundliche Gas- und Kohlekraftwerke benötigen. Denn nur die können unabhängig von den Launen der Natur Strom erzeugen.

Noch eine andere Möglichkeit würde es geben: Deutschland müsse nach dem Vorbild Österreichs Pumpspeicherkraftwerke errichten, rät der Experte. Das ist eine durchaus gute Idee – man muss nur auch ein paar Berge dazubauen.

E-Mails an: norbert.rief@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2011)

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