Gefangenentausch: "Israel bringt unseren Sohn zurück"

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Symbolbild(c) EPA (MOHAMMED SABER)
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Die israelische Bevölkerung unterstützt den asymmetrischen Deal: Die Regierung in Isreal lässt für den fünf Jahre von der Hamas gefangen gehaltenen Soldaten Gilad Shalit 1000 palästinensischen Häftling frei.

Jerusalem. „Die Freude ist unbeschreiblich.“ Mit diesen Worten kommentierte Aviva Shalit, die Mutter des entführten Soldaten Gilad Shalit, die endgültige Zustimmung der Regierung zu dem Gefangenenaustausch. Nach fast 2000 Tagen in den Händen der Hamas soll der heute 25-jährige Soldat vermutlich nächste Woche auf freien Fuß kommen. Israels Verteidigungsminister Ehud Barak überbrachte die Nachricht über den Kabinettsbeschluss noch am Mittwoch in den frühen Morgenstunden der Familie. Die Eltern sowie die beiden Geschwister reagierten so, wie man sie in den vergangenen fünf Jahren beobachten konnte: beherrscht.

Obschon die Liste der rund 1000 palästinensischen Häftlinge, die im Zuge des Austausches entlassen werden sollen, noch nicht veröffentlicht ist, feierten Palästinenser die baldige Rückkehr ihrer Freunde und Verwandten. „Ich bin der glücklichste Mann“, sagte der Vater eines seit mehr als 20 Jahren inhaftierten Palästinensers vor Journalisten im Gazastreifen: „Ich wünsche der Familie Gilad Shalits alles Gute und hoffe, dass alle palästinensischen Häftlinge bald freikommen.“ Durch die Lautsprecher der Moscheen tönten Lobesrufe auf die Führung. Immer wieder feuerten bewaffnete Männer Schüsse in die Luft.

Ähnliche Einigung schon vor Jahren möglich

Die Einigung zwischen Israel und der Hamas unterscheidet sich kaum von einem Vertragsentwurf, der schon wenige Monate nach der Entführung Shalits auf dem Verhandlungstisch lag. Vor zwei Jahren schien eine Einigung nahe, sie scheiterte dann aber doch an etwa 100 Namen von Schwerstverbrechern. Erst seit heurigem Juli sollen sich, laut Informationen des Inlandsgeheimdienstes Shin Beth, beide Seite kompromissbereiter gegeben haben.

Israel stimmte der Rückführung einiger Hundert zu lebenslanger Haftstrafe verurteilter Palästinenser zu. Die Hamas ließ von ihrer anfänglichen Forderung nach Entlassung einer Reihe besonders gefährlicher Terroristen ab. Weder der zur fünfmal lebenslänglicher Haft verurteilte Fatah-Führer Marwan Barghuti steht auf der Amnestie-Liste, noch Ahmad Saadat, Chef der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP).

Die Bereitschaft zu Zugeständnissen wuchs bei der Hamas mit ihrer sinkenden Popularität selbst im Gazastreifen. Machtlos musste Hamas-Premier Ismail Haniyeh zusehen, wie sein politischer Gegenspieler, Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas, nach New York zog, um dort vor der UNO die Anerkennung und Mitgliedschaft Palästinas zu beantragen. Mit der Rückführung von mehr als tausend Häftlingen stellt die Hamas die Fatah auf innenpolitischer Bühne nun wieder in den Schatten.

Minister: „Großer Erfolg für Hamas“

Auf der anderen Seite wollte Israels Premier Benjamin Netanjahu keinesfalls die bittere Erfahrung mit Ron Arad, einem vor 25 Jahren in Geiselhaft gefallenen Luftwaffenangehörigen, wiederholt sehen. Der Fall Arad ließ unter jungen Soldaten das Vertrauen in den eigenen Staat schrumpfen. So wenig proportional der Handel sein mag – der Schlüssel eins zu tausend ist in der Geschichte Israels unübertroffen –, so sehr wird die Regierungsentscheidung vom Volk doch gestützt. „Ich bin überzeugt, dass wir das bestmögliche Abkommen erreicht haben“, meinte Netanjahu.

Das Bild des gefangenen Soldaten, von dem im September 2009 ein kurzes Video veröffentlicht wurde, ist über die vergangenen fünf Jahre in den Medien und auf Plakaten präsent gewesen. Die Familie Shalits sorgte mit hartnäckiger Entschlossenheit dafür, dass ihr Sohn nicht in Vergessenheit geriet. Nicht zuletzt verbrachten seine Eltern mehr als ein Jahr in einem Protestzelt unweit der Residenz Netanjahus.

Nur drei der insgesamt 29 Minister stimmten gegen den Handel, darunter Außenminister Avigdor Lieberman und Uzi Landau, der Minister für Nationale Infrastruktur. „Die Botschaft des Gefangenenhandels ist, dass sich Terror lohnt“, mahnte Landau und sieht einen „großen Erfolg für die Hamas“.

Laut palästinensischen Angaben soll die erste Phase des Austauschs am Montag beginnen. Mehr als 450 Palästinenser sollen an die Grenze zum Gazastreifen gebracht werden, im Gegenzug soll Shalit über den Grenzübergang Rafah aus dem Gazastreifen nach Ägypten ausreisen.

Auf einen Blick

Gilad Shalit wurde im Juni 2006 entführt, als Kämpfer der Hamas aus dem Gazastreifen eine israelische Patrouille angriffen. Eine unmittelbar durchgeführte Militäraktion im Gazastreifen brachte ebensowenig Erfolg wie alle Verhandlungen der kommenden Jahre. In wenigen Tagen soll Shalit nun freikommen. [AP]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.10.2011)

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