„Hamlet“ wie in einem russischen Monumentalfilm

(c) EPA (Manoocher Deghati)
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Shakespeare pur und zeitgenössisch: Alexandrinsky-Theater Sankt Petersburg glänzt mit einem kurzen Gastspiel am Wiener Burgtheater. Regisseur Fokin macht aus der Bearbeitung Levanovs 100 Minuten Welttheater.

Der Aufwand für diese Rachetragödie frei nach Shakespeare war enorm: 40 Schauspieler, Musiker und Statisten des Alexandrinsky-Theaters Sankt Petersburg reisten für ein Gastspiel am Sonntag ans Wiener Burgtheater. Sie wurden von 70 Statisten aus dem Haus verstärkt. Das Projekt hat die Dimension eines russischen Monumentalfilms. Regisseur Valery Fokin macht aus der Bearbeitung Vadim Levanovs 100 Minuten Welttheater. Knapp ist der Text, kurz sind die Szenen – und dennoch glaubt man, dass alles gegeben wird, was die Faszination von „Hamlet“ ausmacht.
Auf der Bühne steht eine riesige schwarze Tribüne. Sie ist von den Zusehern abgewandt. Der Hofstaat blickt in Richtung Feuermauer, wo ein Feuerwerk abgeht. Der neue König (Andrei Shimko) verlautbart die Trauer über den (von ihm gemeuchelten) Bruder und die Heirat mit der Witwe, Hamlets Mutter. Zeitgemäß ist diese Show. Wachen mit Hunden kontrollieren das Gelände, die Security kümmert sich um den um sein Erbe betrogenen Prinzen Hamlet (Dmitry Lysenkov), der von Anfang an verrückt spielt. Eine Treppe führt in Richtung Parkett zu einer Grube – das ist also der Hinterhof des faulen Staates Dänemark, wo Leichen entsorgt, Intrigen gesponnen werden, wo Hamlet seine großen Monologe andeutet oder eben auf dieser Treppe die Konfrontationen mit dem Onkel und der Mutter sucht. Hier ersticht er auch den Oberkämmerer Polonius und treibt dessen Tochter Ophelia in den Wahnsinn.
Lysenkov gibt den zum Zaudern gezwungenen, zum Vorspielen getriebenen entsetzten Helden mit einer Intensität, die einen schaudern lässt, vor allem in den Szenen mit der Mutter, Marina Ignatova wirkt kalt und berechnend wie eine Lady Macbeth. Das Ensemble ist perfekt abgestimmt. Ein bizarrer Augenschmaus sind die Schauspielerszenen, die Hamlet wie ein Komplize des Publikums kommentiert. Das Verbrechen wird spielerisch enthüllt, von da an treibt die dänische Dynastie rasch ihrem Ende zu. norb

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