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Auf der Straße: Bob Dylan in Innsbruck

(c) AP (WILLIAM CLAXTON/1996-98 ACCUSOFT)
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Der 71-jährige Meister des Songs gab in der Olympiahalle ein großes Konzert. Die beste, wildeste Band, die Dylan seit Langem hat, unterstützte ihn nach Kräften, ohne gefügig zu sein.

„I'm in the wrong town, I should be in Hollywood“, klagte Bob Dylan im alterssturen „Things Have Changed“; „I'm stranded in the city that does not sleep“, gellte er in „Honest With Me“. Im wahren Leben – aber was ist das schon? – war er weder dort noch dort, auch nicht in Mississippi oder auf dem Highway 61, sondern in Innsbruck – und spielte dort ein besonders intensives Konzert.

Das mag am Wetter gelegen sein oder am Mond. Wohl auch an den Zusehern, die von Beginn an zeigten, dass sie wissen, wovon Dylan singt. Dass sie verstehen, dass der Hohn und die Abgrenzung, die sein Programm durchziehen, für ihn wesentlich sind. Es beginnt mit dem verächtlichen „Leopard-Skin Pill-Box Hat“, gipfelt in der „Ballad Of A Thin Man“, in der Dylan theatralischer denn je (mit Echo!) dem Mister Jones ins Gesicht schleudert, dass er nichts verstanden hat und versteht, und mündet im ewig ambivalenten „Like A Rolling Stone“, wo das Objekt des Spottes so einfühlsam attackiert wird, dass man spürt: Das „with no direction home“ gilt auch für den Sänger, der ja „still on the road“ ist, und für uns. Das macht die Rührung dieses Songs aus, der sich auch nicht entziehen kann, wer nicht einsehen will, warum Dylan die Melodie nicht so singen mag, wie wir sie im Kopf haben.

Quecksilber-Sound der Orgel

Das wollte er auch in den „Visions Of Johanna“ nicht, die gleichwohl leuchteten, als ob hier wirklich die Ewigkeit erprobt würde. Nicht im zarten „Shooting Star“ oder in „Tangled Up In Blue“, wo jede Zeile in einem Schrei mündete, als ob die in diesem Song verworrenen Leben nur so entwirrt werden könnten. Die beste, wildeste Band, die Dylan seit Langem hat, unterstützte ihn nach Kräften, ohne gefügig zu sein, ließ ihrem Meister sogar Gelegenheit, sich als Solist an der Orgel zu versuchen, dem Quecksilber-Klang, den er seit „Blonde On Blonde“ verfolgt, selbst nachzuspüren. Dazu eine unversöhnliche Version des zornigen Antikriegslieds „John Brown“: ein großer Herbstabend in der richtigen Stadt. tk

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2011)

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