Aussteiger: "AWD drängt Vermittler in Schuldenfalle"

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THEMENBILD: AWD(c) APA (Barbara Gindl)
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In einem Buch packt ein ehemaliger Manager des Strukturvertriebs AWD über die Methoden des Unternehmens aus.

Die aggressiven Verkaufsmethoden von Finanzvertrieben haben in den vergangenen Jahren immer für Negativschlagzeilen gesorgt. In Österreich etwa hat der Finanzvermittler AWD Immofinanz-Aktien großflächig an den Mann und die Frau gebracht und muss sich nun mit tausenden Anlegerklagen herumschlagen. Der - heftig bestrittene - Vorwurf: Systematische Fehlberatung. Ein ehemaliger hochrangiger Manager des AWD sieht aber nicht nur die Kunden als Opfer von Strukturvertrieben, sondern auch die einfachen Vermittler. Sie würden in eine Schuldenspirale gedrängt, was einen Ausstieg de facto unmöglich mache. Bei einem Hintergrundgespräch gemeinsam mit dem Verein für Konsumenteninformation (VKI) in Wien berichtete der Ex-Manager am Donnerstagabend von "mafiösen Methoden", "psychologischem Infiltrieren", undurchsichtigen Provisonsflüssen und macht klar: "Das ganze ist ein System."

Der Finanzvertrieb AWD hat die von einem ehemaligen AWD-Manager erhobenen Vorwürfe "in ihrer Gesamtheit auf das Schärfste" zurückgewiesen und angekündigt, gegen die "schädigenden Behauptungen" des "Maximilian von Ah" rechtlich vorzugehen. Grundsätzlich gelte: "Die Vergütungen von AWD an die Berater waren und sind stets transparent und nachvollziehbar." Diese erfolgten "entsprechend den vertraglich vereinbarten Vergütungsregelungen".

"Ganze Familie geschädigt"

Seinen echten Namen wollte der ehemalige AWD-Manager nicht preisgeben, aus Angst vor Repressalien, wie er sagt. "Meine gesamte Familie ist geschädigt worden", teilweise sei es sogar zur Anwendung von körperlicher Gewalt gekommen. Er nennt sich "Maximilian von Ah" und hat seine Geschichte in einem Roman namens "Geld fressen Seele auf" (eine Anlehnung an Rainer Werner Fassbinders Film "Angst essen Seele auf") niedergeschrieben. Der Deutsche hat 1989 beim ein Jahr zuvor von Carsten Maschmeyer gegründeten AWD angeheuert und dort eine steile Karriere hingelegt. Kurz nach seinem Einstieg wurde er gemeinsam mit vier ebenso erfolgreichen AWD-Mitarbeitern in die Schweiz geschickt, um dort ein Vertriebsnetz aufzubauen. "Binnen der ersten 14 Monate hat AWD ein vermitteltes Kapitalvolumen von einer Milliarde Franken geschafft", erzählt von Ah.

Das Erfolgsgeheimnis liege am pyramidenartigen Aufbau von Strukturvertrieben: Die "Verkaufsindianer", das mittlere und das Topmanagement. "Und über der Pyramide steht eine juristische Firma, die die Verträge mit den Banken oder Versicherungen aushandelt. Wie hoch die Provisionen sind, bekommt in der Pyramide niemand mit."

"Keine Möglichkeit, auszusteigen"

Wer wieviel verdient respektive bei wem mitschneidet, sei aber nicht das einzige, worüber die Strukturmitglieder im Dunkeln gelassen würden. Die Verwirrung fange schon beim Status der Vermittler an. Nach außen hin werde suggeriert, es handle sich dabei um "Mitarbeiter", in Wahrheit seien die "Agenten", wie von Ah sie nennt, aber selbstständig. Will heißen, sie erhalten kein Fixeinkommen mehr, sondern müssen nun selbst Erträge generieren, von denen dann noch diverse Kosten abgezogen würden. Den meisten Agenten werde dies aber erst bewusst, wenn sie schon in der "Schuldenspirale" gefangen seien: Zu Beginn gewährten Strukturvertriebe ihren Vermittlern Vorschüsse. Wenn ein Agent ein Geschäft abgeschlossen hat, müsse er nämlich in der Regel sechs Wochen bis sechs Monate warten, ehe er seine Provision sieht. So lange daure es, bis die Banken, Versicherungen etc. die entsprechenden Anträge der Finanzvermittler bearbeiten. "Es gibt keine Möglichkeit auszusteigen, sonst wird der Kredit fällig", schildert von Ah.

Und da taucht schon das nächste Problem auf: "Sie sagen: 'Bleib noch dabei. Aber um es dir einfacher zu machen, schau dich in seinem sozialen Umfeld um.'" Im Familien- und Freundeskreis sei es natürlich ungleich leichter, Versicherungsprodukte und Co. zu verkaufen, denn "da vertraut man Ihnen".

Suggestivfragen

Aber auch bei der sogenannten Kaltakquisition auf der Straße scheinen die Finanzvermittler mit allen Wassern gewaschen zu sein. Gearbeitet wird laut von Ah mit Suggestivfragen, verkauft würden Visionen, nicht Produkte. Ein typisches Eingangsgespräch laufe folgendermaßen ab: Vermittler: "Mal angenommen, Sie sind in Pension. Wird die Miete bis dahin eher steigen oder sinken?" Kunde: "Steigen." Der Vermittler zeige dem Kunden eine Tabelle, wonach er bis zur Pension noch insgesamt 1,5 Millionen Euro an Miete zahlen müsse, und sage: "Mal angenommen, wir könnten erreichen, dass Sie im Alter keine Miete mehr zahlen müssten ..." Und schon, so von Ah, sei eine Lebensversicherung als Tilgungsträger verklopft worden, ohne dass sie als solche verkauft worden sei. Dem Kunden sei nämlich suggeriert worden, er kaufe seine eigene schuldenfreie Immobilie.

Die Berechnungen und Bilder, mit denen in Strukturvertrieben gearbeitet werde, kämen "von oben". AWD-Gründer Maschmeyer habe sich zum Beispiel "bewusst" mit öffentlichen Personen - etwa dem ehemaligen deutschen SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder - ablichten lassen, um Seriosität zu suggerieren. Für Diskussionen gesorgt haben in Deutschland auch Maschmeyers geschäftliche Verbindungen zu Ex-Arbeitsminister Walter Riester (SPD) und dem früheren Politikberater und Wirtschaftsweisen Bert Rürup. Im Jahr 2000 hat die SPD unter Schröder die Pensionsvorsorge teils privatisiert und staatlich gefördert; die Riester-Rente eröffnete Strukturvertrieben einen Milliardenmarkt mit Millionen von Neukunden.

(APA)

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