Projekt eines größtmöglichen Absturzes: Der Austro-Porsche

Die Porsche-Fachleute, noch ungebremst von Aufsichtsrat und Eigentümern, fertigten 1977 die Studie „Austria“ an, in Österreich sprach man vom „Austro-Porsche“.
Anfragesteller war die österreichische Verstaatlichte, vulgo Kreisky in diesem Fall. Ergebnis war eine Mehrhundertseiten-Doku im nüchternen und daher unverdächtigen Experten-Tonfall, getragen allerdings von vorauseilender Begeisterung.

So waren etwa 300 Autoteile aufgelistet, von denen 200 von der österreichischen Industrie geliefert werden könnten (Schaltknopf: Semperit, Wellendichtring: Simmerwerk Kufstein). Das Hauptthema nachhaltiger Wirtschaftlichkeit verlor sich völlig im Nebel, etwa in der Freude über „4205 bis 4866 neu zu schaffende Arbeits­plätze“.
Wo? Auf der grünen Wiese? Das würden dann ja die Österreichischen entscheiden.
Die technischen Überlegungen waren natürlich Porsche-entsprechend vernünftig, in Richtung solides Langzeitauto, schlaue Werkstoffe, Alu, Gediegenheit. Hinterradantrieb, Motor vorn, Getriebe hinten, also „Transaxle“, das war zwar smart, aber doch schon eine bekannte Übung.

Obere Mittelklasse (Gegner: „Audi 100, Volvo 244, Saab, BMW 520, Citroën CX, Mercedes 200“) deutete auf einen Verkaufspreis von 155.00 bis 165.000 Schilling, heute eine Ziffer aus dem Märchenreich, sagen wir 12.000 Euro.
Weil „Handelsbilanz“ der Vater des Gedankens war, war man exportfixiert. Für den Heimatmarkt Österreich wurden nur lächerliche 7 bis 9.000 Stück pro Jahr vorgesehen, dafür sollten 20.000 Autos in die USA gehen, 12.000 nach Deutschland, und sogar Aus­tralien wurde in den vorauseilenden Statistiken noch mit 1.000 Stück beglückt. Faszinierend beim Archivstudium ist die Lockerheit, mit der einzelnen Großhändlern in Kalifornien und Florida schon Kontingente zugeteilt wurden.
Die ersten Designskizzen waren grausam, aber immerhin gab es auch die Version „Freizeitwagen“, lange bevor man SUV dazu sagte. Er sollte um sechs Zentimeter mehr Bodenfreiheit als die Limousine haben, aber kein Allrad (es war ja auch noch die Zeit vor der „quattro“-Erfindung). Das hätte durchaus einen interessanten Ansatz ergeben können.

Der Motor wurde als Vierzylinder (natürlich Benziner) zwischen 1800 und 2200 ccm vorgeschlagen, ungefähr 100 PS. Wer ihn bauen sollte? Keine näheren Vorschläge.
Dafür hatte man den Energiebedarf für das Werk (10.800 Kubikmeter Heizöl pro Jahr) errechnet und das Investitionsvolumen des gesamten Werks (zwischen 2999 und 4910 Mio Schilling). Man muss ja lachen bei solchen Beträgen, die heute einer mittleren Bank nur das Lüften einer Gesäßbacke wert wären.
Damals allerdings hätte der unvermeidliche Absturz des Projekts zu einem Erdbeben in der österreichischen Politik geführt, und zu einer vorzeitigen Zertrümmerung der staatsgelenkten Industrie.
Bezeichnend ist das Ergebnis einer Befragung von potenziellen Kunden. Als größtes Minus war ihnen die „gesellschaftspolitische Zielsetzung der verstaatlichten Industrie Österreichs“ verdächtig.

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