Betriebsanleitung für den Austritt aus dem Euro

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Der französische Ökonom Eric Dor von der Katholischen Universität Lille hat dafür eine Art „Betriebsanleitung“ für den Euro-Exit geschrieben. Kontosperren und Zwangskonvertierung drohen.

Brüssel/Apa. Viele reden vom „Austritt aus dem Euro“. Aber wie funktioniert das eigentlich? Der französische Ökonom Eric Dor von der Katholischen Universität Lille hat dafür eine Art „Betriebsanleitung“ geschrieben. Vorweg: Wer ein bisschen Geld auf der Seite hat, sollte sich ein derartiges Szenario nicht wünschen.

Funktionieren würde das in etwa so:

• Die Regierung friert die Euroeinlagen der inländischen Banken bei der Nationalbank ein und konvertiert diese 1:1 in die neue Währung.

• Die Bankguthaben der inländischen Kunden, aber auch die von inländischen Banken vergebenen Kredite werden zwangskonvertiert.

• Alle Zahlungen im Inland (Mieten, Kreditraten, Gehälter) werden zwangskonvertiert.

• Weil die Währung auf den Devisenmärkten sofort stark an Wert verliert, droht ein „Bank Run“. Um den zu verhindern, werden lokale Bankkonten vorübergehend gesperrt. Kapitalflucht ins Ausland wird durch Kapitalverkehrskontrollen verhindert.

• Alle inländischen Geschäfte werden verpflichtet, die neue Währung anzunehmen. Kreditkartenzahlungen und Bankomatbehebungen sind nur noch in der neuen Währung möglich.

• Eine Vereinbarung mit den anderen Nationalbanken der Eurozone regelt, wie mit den Euroschulden des Landes umgegangen wird. Dieser Punkt gilt als größtes Abschreckungsinstrument gegen den Austritt.

Laut Dor sähen sich Länder, die aus der Eurozone austreten wollen, mit enormen „praktischen Schwierigkeiten“ konfrontiert, die von den Befürwortern derzeit stark heruntergespielt würden. So könne ein Land nur nach Artikel 50 des EU-Vertrags aus der Eurozone austreten, müsse dann aber zwingend auch die EU verlassen. Damit es in der Gemeinschaft bleiben könne, müsste der EU-Vertrag geändert werden. Auch einige andere Aspekte müssten noch geklärt werden, „damit es zu keiner Verwerfung an den Finanzmärkten kommt“.

Der größte Knackpunkt sei zweifellos, wie mit der hohen Verschuldung der nationalen Notenbank in Euro umgegangen werde. Bleiben die Schulden in Euro, während die Lokalwährung stark abwertet, könnte dies zum sofortigen Staatsbankrott führen. Dieser Punkt sei bisher ebenso völlig ungeklärt wie die Frage, wie mit den Euroschulden des Privatsektors gegenüber internationalen Gläubigern umzugehen sei, heißt es in der Studie.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.11.2011)

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